Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Integration:
Bielefeld (ots)
Integrationsprobleme sind Minderheitenprobleme. Die weitaus überwiegende Mehrheit der Einwanderer in Deutschland kommt zurecht. Und die Einheimischen, wir Einheimischen, kommen mit ihnen zurecht. Das wird in der Integrationsdebatte zu wenig berücksichtigt. Migrationsforscher beklagen dies. Die Einwanderer selbst fühlen ihre Lebensgeschichten entwertet, wenn die sie aufnehmende Gesellschaft nur auf die schwarzen Schafe blickt. Gleichwohl bleibt das Problem mit der Minderheit bestehen. Es ist kein kleines Problem. Menschen mit Migrationshintergrund tauchen in der Arbeitslosen- oder Kriminalitätsstatistik überproportional, in der Abiturstatistik im Hinblick auf ihren Bevölkerungsanteil aber unterproportional auf. Es mangelt also am Bildungserfolg und am Einhalten der gesellschaftlichen Regeln. Darum darf man nicht herumreden. Aber was ist zu tun? Am Anfang sollte die Analyse der unbestreitbaren Versäumnisse vergangener Jahrzehnte stehen. Da ist zunächst der offenbar fehlende Wille oder Ehrgeiz einiger Einwandererfamilien, tatsächlich in Deutschland anzukommen und sich hier weiterzuentwickeln. Das ist an mangelnden Sprachkenntnissen festzumachen, an der Distanz zu gesellschaftlichen Werten, auch an den festen Banden in die alte Heimat, die vielfach immer noch die eigentliche Heimat ist. Hier sind die Einwanderer selbst gefragt. So weit zur Bringschuld. Doch auch die Holschuld ist beträchtlich. Die deutsche Gesellschaft und vorne weg die Regierungsparteien aller Lager haben sich jahrzehntelang nicht um den Integrationserfolg der damals so genannten Gastarbeiter geschert. In dem Begriff steckt ja schließlich die Erwartung, dass die Gäste wieder gehen. Sind sie aber nicht. Die Mehrheitsgesellschaft hat es in dieser Zeit versäumt, die Einwanderer bei der Eingliederung und Anpassung zu unterstützen. Nicht finanziell, da hat sich Deutschland nichts vorzuwerfen. Aber inhaltlich: bei der Hilfe zur Selbsthilfe und bei der Formulierung von Erwartungen. Lange war dies politisch verpönt, weil man sich seiner eigenen Position als Nation nicht sicher war: Durfte man denn von anderen verlangen, deutsch zu werden? Man darf, darüber gibt es heute einen Konsens, der politisch weiter nach links reicht, als man sich das in den achtziger und neunziger Jahren vorstellen konnte. Die Formulierung von Erwartungen in Kombination mit echter Hilfe ist das, was die Mehrheitsgesellschaft leisten kann. Wichtig sind dabei Erzieher und Lehrer mit Migrationshintergrund. Sie können als Vorbilder dienen. Solche Bildungsaufsteiger sprechen auch eine deutlichere Sprache, wenn es darum geht, bei allem Verständnis und aller Geduld Widerstände zu überwinden. Sie mussten sich selbst anstrengen und sind deshalb nicht zaghaft, daran zu erinnern, dass es im Leben wenig geschenkt gibt.
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