Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur NRW-CDU
Bielefeld (ots)
An diesem Wochenende blickt die NRW-CDU nach vorn und startet den Neuanfang, den ihr 44 000 Mitglieder mit ihrem Votum für Norbert Röttgen als neuen Vorsitzenden verordnet haben. Das Aus nach gerade fünf Jahren an der Macht muss bewältigt werden. Dabei bleibt der 9. Mai eine schmerzende Wunde. Denn so ganz haben die Christdemokraten immer noch nicht verstanden, was eigentlich geschehen ist. Auch das Schaulaufen zweier relativ ähnlicher Kandidaten für den Landesvorsitz, Röttgen und Armin Laschet, hat nicht klüger gemacht. Keiner von beiden schlug Sündenregister auf und prangerte vermeintliche Fehler an. Das etwas größere Votum für den landespolitisch kaum profilierten Bundesumweltminister Röttgen legt nahe, dass die Basis mehr aus dem Bauch heraus als inhaltlich überzeugt einfach den Nicht-Düsseldorfer gewählt hat. Dabei ist die Hauptschuld für den Stimmenverlust gar nicht in Düsseldorf zu finden. Die Hetze gegen das »System Rüttgers«, das Gegner filmt und Gesprächszeit vermietet, haben die meisten Wähler als das verstanden, was es ist: durchschaubares Störfeuer. Seit der Wir-in-NRW-Blog seinen Vorrat interner CDU-Mails, nennen wir es »abgehörter Telefonate«, aufgebraucht hat, ist Schicht mit investigativ. Rüttgers Mitschuld am Machtverlust bleibt überschaubar. Bei weitem mehr Verantwortung trägt die Berliner Streitkoalition. Die und der Höhepunkt der Euro-Krise Anfang Mai haben Jürgen Rüttgers die Macht gekostet. Analysen belegen inzwischen: 330 000 vormalige Rüttgers-Wähler blieben 2010 zu Hause, obwohl sie mit der Landespolitik zufrieden waren. Merkels Männer haben gestritten wie die Kesselflicker, während die Finanzkrise horrende Schulden zugunsten Athens verlangte, die die Kanzlerin erst verweigerte und zwei Tage vor der NRW-Wahl zum Entsetzen vieler billigte. Die große Leistungsbilanz von Schwarz-Gelb blieb völlig auf der Strecke: Vier Hochschulen, 8000 Lehrer, echte Haushaltskonsolidierung, endlich mehr Unterricht, Ganztagsbetreuung für Hunderttausende, sogar Behördenschließungen. All dies haben die Wähler nicht honoriert, weil immer noch Elisabeth Noelle-Neumanns Rat an Helmut Kohl gilt: »Wer verändert, wird abgewählt.« Rüttgers hätte allen Grund, beim Landesparteitag bittere Klage zu führen. Niemand würde es ihm verdenken, wenn er den Intrigantenstadl von München bis Berlin wortreich ausmistete. Aber Rache auf großer Bühne ist nicht seine Art. Dennoch hat Merkel vorgesorgt. Sie kommt nach Bonn. Sollte etwas anbrennen, kann die CDU-Bundesvorsitzende selbst die Feuer austreten. Vermutlich wird sie ihre Mitverantwortung für das NRW-Debakel in blumigen Formulierungen lediglich streifen. Wäre Politik nicht in Ritualen und Wohlfühlformeln erstarrt, wäre eine Entschuldigung fällig. Aber, wie gesagt: Es geht nicht ums richtige Leben, sondern um Politik.
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