Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Berlusconi:
Bielefeld (ots)
Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat die Misstrauensanträge knapp überstanden, doch die politische Krise dauert an. Die Fortsetzung der Berlusconi-Regierung kann Italiens Probleme nicht lösen. So lange sie im Amt bleibt, wird Italien leiden. Viele besorgte Italiener und Europäer wünschen eine politische Erneuerung und die Wiedergeburt der Demokratie. Das kann aber nur geschehen, wenn Berlusconi zurücktritt oder abgewählt wird. Das Ende der Berlusconi-Ära ist überfällig. Die Machenschaften, Sex-Skandale, Korruptionsaffären und Interessenkonflikte des italienischen Ministerpräsidenten sind nicht nur peinlich, sie schaden Italien und beschädigen das demokratische Prinzip in Europa: Volkssouveränität, Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und die Pressefreiheit werden vom »System Berlusconi« unterlaufen. Italien und Europa brauchen keinen eitlen Oligarchen und Polit-Paten, der sein Amt privatisiert und seine Macht usurpiert. Italien braucht einen demokratischen Befreiungsschlag. Denn Berlusconis Macht ist fast grenzenlos: Als Regierungschef, reichster Mann Italiens und Medienmogul kontrolliert er 90 Prozent der italienischen Fernsehprogramme; selbst das Staatsfernsehen RAI untersteht seiner Herrschaft. Mehr als 150 Firmen, Banken und Versicherungen gehören zum Berlusconi-Imperium, ferner die größte Werbeagentur, der umsatzstärkste Verlag und das meistverkaufte Nachrichtenmagazin. Die Demokratie ist gefährdet, wenn ein Unternehmer Politiker wird, um seine - wie er selbst sagt - »juristischen und wirtschaftlichen Probleme zu lösen«. Denn Berlusconi hat Probleme: Richter und Staatsanwälte werfen ihm Korruption, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Bilanzfälschung und Beziehungen zur Mafia vor. Doch leider ist der »gute Hausvater Silvio« juristisch nicht greifbar: So lange er Ministerpräsident bleibt, genießt er Immunität. In Italien herrsche eine »Kultur der Illegalität«, klagt der Mafia-Jäger Leoluca Orlando. Der Schriftsteller Umberto Eco meint, Berlusconi habe »die Gesinnung eines Herrschers, nicht eines Demokraten«. Italien sei inzwischen eine »nicht-repräsentative Demokratie«. Der Ministerpräsident habe die Gewaltenteilung ausgeschaltet und Justiz und Parlament bekämpft. Das mache ihn gefährlich. Es ist müßig zu fragen, ob die knappe Parlamentsmehrheit gegen den Misstrauensantrag gekauft war. Angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit, der Müllberge, Korruption, Finanzkrise, Kriminalität und Medienmanipulation in Italien ist jeder Tag, den Berlusconi im Amt bleibt, ein Tag zu viel. Denn Europa braucht ein politisch ehrbares Italien - als verlässliche Demokratie und als große europäische Industrie- und Kulturnation.
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