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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Situation in Nahost

Bielefeld (ots)

Syrien hat eine Schlüsselposition inne in Nahost und das ethnisch, geographisch, bündnispolitisch. Wenn sich die Machtbalance in Syrien ändert, ändert sich das Umfeld für den Friedensprozess. Das ist in Libyen anders. Libyen kann als Einzelfall betrachtet werden, und es hat nur Öl, das ersetzt werden kann. Syriens geopolitische Bedeutung besteht in der unauflösbaren Verquickung mit den Nachbarstaaten Israel, Jordanien, Libanon und im Bündnis mit Teheran und den Hisbollah. Schon deshalb war die Rede des Diktators Assad eine Enttäuschung: von Reformwillen keine Spur. Auch der Rücktritt der Regierung besagt nichts. Diese Minister-Claqueure hatten eh nichts zu sagen. Bleibt die Frage: Wie kann es weitergehen in Syrien? Es ist wie in Libyen: Dieses Regime kennt Menschenrechte nur vom Hörensagen. Seit 1963 regiert der Assad-Clan auf der Grundlage des Ausnahmezustands. 1982 ließ der Vater des jetzigen Diktators die Stadt Homs von Panzern umzingeln und zwei Wochen lang in die damalige Hochburg der Muslimbrüder hineinfeuern. Aus den Trümmern wurden mehr als 30 000 Tote geborgen. Die Welt nahm kaum Notiz davon. Das wäre heute im Zeitalter des Internets anders. Sohn Baschir Assad würde es im Fall Deraa gerne auch so handhaben und hat dort auch Hisbollah-Milizen die Waffen einsetzen lassen. Aber der Fall Libyen zeigt ihm: Die Welt könnte nicht zuschauen. Sie hat schon zugeschaut, als seine Armee das Nachbarland Libanon jahrzehntelang unterjochte und christliche Politiker nach Belieben »ausschaltete«. Sie hat auch zugeschaut, als Assad Terroristen aller Länder in Damaskus Zuflucht bot. Immer hatte man die Hoffnung, Syrien könnte ins Lager der Friedenswilligen wechseln. Es war eine trügerische Hoffnung, geschickt genährt von Hafez el Assad in vier- bis fünfstündigen Gesprächen mit amerikanischen und europäischen Außenministern. Alle ließen sich von dem brillanten Intellekt dessen blenden, den sie in Beirut den »arabischen Bismarck« nannten. Der Sohn mag auch schlau sein, aber seine Lage ist ungleich gefährlicher. Die Welt sieht auf Youtube, wie seine Schergen auf Demonstranten schießen. Er wird, bevor es zum Putsch kommt, die Reißleine ziehen, die sein Vater für die herrschende Minderheit der Alawiten vorbereitet hat. Seit den achtziger Jahren hat der Assad-Clan das Siedlungsgebiet der Alawiten im Norden des Landes am Mittelmeer ausbauen lassen. Dort gibt es einen Tiefseehafen, eine Universität, Schulen und ein Straßennetz wie nirgendwo sonst in Syrien, Damaskus ausgenommen. In dieses Bollwerk wird sich der Clan zurückziehen wollen, bevor es zur Nacht der langen Messer kommt. Die Alawiten könnten als Kleinstaat überleben. Auch das war eine Option des arabischen Bismarck, für den Fall, dass sein Traum von einem großsyrischen Reich platzen sollte. Das passiert gerade. Und damit kommt die gesamte Region in Bewegung.

Pressekontakt:

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Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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