Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur FDP
Bielefeld (ots)
Ist er der nette Dr. Rösler von nebenan oder einer, der schwarze Frösche in kochendes Wasser wirft? Ist er nun von Herkunft Asiat oder ein Kommunalpolitiker aus Bückeburg? Macht er Herrenwitze abends an der Hotelbar, das fragte gestern der »stern«, oder sind ihm Frau, Kinder und Oma »Klärchen« wichtiger, wie die »Bild am Sonntag« signalisiert? Nicht jede Antwort ist wirklich wichtig, aber: Der neue FDP-Vorsitzende und ebenso frischgebackene Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hat wieder Interesse an einer zeitweise abgeschriebenen Partei geweckt. Das neue Gesicht steht für ein etwas anderes thematisches Tableau, höfliche Umgangsformen und hohe Disziplin gegenüber sich selbst. Das Konzept von Rostock aus personeller Erneuerung und inhaltlicher Stärkung könnte aufgehen. Dabei steckt die unter die Fünf-Prozent-Marke abgesackte Partei noch in der tiefsten Krise. Wochenlang wurde, wie schon so oft, das Totenglöckchen für die blau-gelbe Bewegung geläutet. Und auch wenn sich die Umfragewerte in den kommenden Wochen wohl kaum auf alte Höhen zurückfinden werden, so ist die Partei an diesem Wochenende gestärkt und um einiges selbstgewisser geworden. Die Liberalen erkennen wieder wo sie stehen, was sie wollen und wo sie hin müssen. Stellvertretend für seine Führungsmannschaft hat Rösler versprochen, politisch Substanzielles zu liefern. Ergebnisse liberaler Politik sollen alle Führungsleute der Partei in der Tagespolitik bieten, so lautet die unmissverständliche Aufgabenstellung seitens der Basis. Standhaftigkeit und durchgedrückte Rücken wollen eben nicht nur die Anhänger des klassischen Liberalismus sehen. Rösler wird diesen Auftrag an vorderster Stelle übernehmen und es dürfte nicht lange dauern, bis es zum ersten neuen Koalitionskrach kommt. Die Verlängerung der Sicherheitsgesetze, wie von CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich angepeilt, hat das Zeug zum Zankapfel - genauso wie die Gefahren einer übereilten Energiewende, das Erziehungsgeld und die Schuldenfalle. Wie unlösbar der Konflikt zwischen FDP-Grundsätzen und dem in der Koalition Machbaren sein kann, wurde gleich in Rostock deutlich. Der Liberale Aufbruch als Hüter reiner freidemokratischer Lehre konnte sich nicht durchsetzen, obwohl die Parteiräson ganz klar gegen einen dauerhaften Euro-Rettungsschirm steht. Frank Schäfflers Hinweise, im Bundestag könnten bis zu 40 Abgeordnete von FDP und Union gegen den für die Zeit nach 2013 geplanten Zahlungsautomatismus stimmen, rief prompt Guido Westerwelle auf den Plan. Das werde die Kanzlerin nie im Leben zulassen, markierte der Ex-Vorsitzende exakt jene Linie, bis zu der der Einfluss der FDP reicht. Warten wir es ab. Schon bald wird Rösler auch mit weiteren liberalen Herzensanliegen an diesen Punkt gelangen. Dort wird sich zeigen, ob der nette Herr Rösler auch liefern kann.
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