Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zu Angela Merkel
Bielefeld (ots)
Sicher war es ein Zufall, dass Angela Merkel ihre Rede pünktlich um 11.55 Uhr beendete. Doch passender hätte die Kanzlerin nicht zum Schluss kommen können: Fünf vor Zwölf hob der Applaus der Regierungsfraktionen an und er dauerte länger, als man es erwarten konnte. Fünf vor Zwölf ist Angela Merkel gerade noch einmal davongekommen. Fürs Erste jedenfalls. Dabei hatte die Kanzlerin weder etwas Neues gesagt noch die Opposition irgendwie beeindruckt. Doch darum ging es in dieser Generaldebatte auch gar nicht. Es ging einzig und allein darum, die Abgeordneten von CDU, CSU und FDP anzusprechen und ein Lebenszeichen der Regierung zu senden. Das ist Angela Merkel gelungen. Nicht mit großem Glanz, aber mit großem Einsatz. Ungewöhnlich emotional leistete die Kanzlerin 33 Minuten und 30 Sekunden lang Überzeugungsarbeit. Ihre wichtigste Botschaft: Noch sind der Euro und Europa nicht am Ende, und noch ist Schwarz-Gelb nicht am Ende. Nach den verpatzten Probeabstimmungen am Montag versuchte die Kanzlerin auf der Bühne des Parlaments alles, um die Zweifel an der Erweiterung des Euro-Rettungsschirms in den eigenen Reihen zu zerstreuen. Gut möglich, dass sie den einen oder anderen zurückgewonnen hat. Schützenhilfe leistete ihr dabei das vergleichsweise milde Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Diese Vorgaben aus Karlsruhe stellen die Regierung wahrlich nicht vor Probleme. Mit diesem Wissen im Rücken machte Angela Merkel im Parlament deutlich, dass sie an die europäische Idee nicht nur glaubt, sondern für sie auch zu kämpfen bereit ist. Dass ihrer Rede - typisch Merkel - der letzte Pathos fehlte, war dabei nicht weiter schlimm. Im Gegenteil: Nur mit glühenden Appellen allein wird man Europa nicht retten können. Das hat das Publikum längst verstanden. Merkel machte deutlich, was getan wurde, was getan werden muss und was nicht getan werden darf. Geschickt trat sie so dem Vorwurf entgegen, der Krise plan- und tatenlos gegenüberzustehen. Vor allem aber machte die Kanzlerin deutlich, dass die Lösung der Euro-Krise keine schnelle und unkomplizierte Sache sein kann. In dieser Logik ist ihre ablehnende Haltung gegenüber der Ausgabe von Eurobonds, die die Opposition schon lange für unverzichtbar hält, nur konsequent. Angela Merkel hat gestern kein einziges Problem gelöst, und bis zur Abstimmung am 29. September ist es noch lang. Für weitere Turbulenzen im Euro-Raum und an den Finanzmärkten bietet das viel Raum. Auch ist ihre Regierung mitnichten in der Verfassung, dass neue Verwerfungen auszuschließen sind. Genüsslich haben SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und vor allem Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin darauf hingewiesen. Dennoch ist der Kanzlerin ein Punktsieg gelungen. Ob Schwarz-Gelb damit etwas anfangen kann, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt.
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