Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum FDP-Parteitag
Bielefeld (ots)
Isolierung bringt Profilierung. Das hat der FDP-Bundesparteitag klar gemacht, aber noch nicht zu Ende diskutiert. Offen blieb auch die Frage, ob die Verschiebungen im Parteienspektrum für die Blaugelben Chance oder Fluch bedeuten. Aber angesichts einer dramatischen Absetzbewegung der CDU zumindest weg von konservativen und auch von marktwirtschaftlichen Positionen - andere sagen direkt in die Arme von Rot-Grün - fragt sich die FDP wo sie bleibt. Philipp Rösler beschreibt die Lage so: Die Grünen setzten auf Planwirtschaft und die Sozialdemokraten auf massive Marktregulierung. Und spätestens seit der Mindestlohnwende des Koalitionspartners zögen »alle Parteien eine dramatische Linkskurve«. Nur die FDP mache da nicht mit, so Rösler, sei der wahre Verteidiger von Freiheit und sozialer Marktwirtschaft. »Was ist eigentlich mit Frau Merkel los?«, fragte am Wochenende auch der Delegierte Florian Rentsch. Fast jeden Tag bringe sie neue Themen auf, die mit der FDP nicht zu machen seien, sagte der Wiesbadener und traf die liberale Befindlichkeit von Kiel bis Stuttgart. Viele fürchten, die FDP könne bei einer Großen Koalition auf der Strecke bleiben. Das muss nicht sein. 14,6 Prozent bei Bundestagswahlen gab es nur einmal, nämlich 2009 gegen Schwarz-Rot. Tatsache ist, wenn die Union nach links, zumindest in die Mitte rückt und sich mit Atomausstieg und Endlager-Neustart sogar ans grüne Biotop heranrobbt, gibt es für die FDP mehr Luft zum Atmen. Ob das 2013 zum Überleben im Bundestag reicht, ist noch nicht relevant. Ein FDP-Bundesvorsitzender, der nicht sofort in diese Lücke stieße, wäre fehl am Platze. Rösler hat in Frankfurt jedenfalls beherzt zugegriffen. Zugleich verzichtete er auf jegliche Angriffe in Richtung CDU. Er hat nicht einmal gegen die CSU und das Erziehungsgeld gegiftet. Die FDP hat inhaltlich geantwortet. Sie stellte sich sich gegen den einheitlichen und staatlich verordneten Mindestlohn, redete der sozialen Marktwirtschaft das Wort und zeigte sich mit einer engagierten Debatte am Sonntagmorgen als Bildungspartei. Mehr Unbehagen als der Vorsitzende zugibt, bereitet der Mitgliederentscheid über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Der Ausgang der Auszählung am 17. Dezember ist völlig offen. Das heißt: Der Antrag der Parteiführung könnte scheitern. Selbst wenn die Schäffler-Gruppe entsprechend dem gefühlten Applausanteil beim Bundesparteitag »nur« 20 bis 30 Prozent Zustimmung fände, bliebe eine schwere Hypothek. Denn: Wer in Umfragen auf vier Prozent kommt, kann sich Flügelkämpfe nicht erlauben. Fazit: Im politischen Raum sieht die FDP langsam wieder Licht am Horizont. Wenn die Partei in 2012 etwas zerreißen kann, dann der zunehmende Druck von innen. Rösler braucht ein Ventil zum Luftablassen, ohne dass sich die beiden Eurolager weiter gegenseitig beschädigen.
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