Westfalen-Blatt: Das WESTFLAEN-BLATT zur Euro-Krise
Bielefeld (ots)
Weltwirtschaftsforum und Kapitalismuskritik im schweizerischen Davos waren gestern, heute ist schon wieder Euro-Rettung beim EU-Gipfel in Brüssel angesagt. 2012 beginnt, wie 2011 endete: Das Tempo bleibt schwindelerregend hoch, die Risiken für die Gemeinschaftswährung bleiben es auch. Leider. Längst ist die Dauer zur wahren Tücke der Krise geworden. Die unendliche Geschichte geht weiter und weiter. Die mit den Sorgen ihres Alltags befassten Menschen stumpfen aber mit jedem Horrorszenario mehr ab. Erst recht, wenn das Desaster dann - zum Glück muss man sagen - doch wieder nicht eintritt. Viele können und wollen das Ganze einfach nicht mehr hören. So steht die Aufmerksamkeit für die Euro-Krise mitunter im krassen Gegensatz zu ihrem Gefahrenpotential. Das liegt auch daran, dass ihr Name nur unzureichend wiedergibt, um was es geht. Zur Disposition steht nicht weniger als die Rolle Europas in der Welt. Schuldenmachen allein funktioniert nicht mehr, zugleich aber fordern uns neue Konkurrenten wie Indien und Brasilien auf bisher unbekannte Weise heraus. Von den Verlockungen eines diktatorischen Kapitalismus, wie ihn China betreibt, ganz zu schweigen. Europa steht abermals vor einer richtungsweisenden Woche. Zuerst geht es darum, wie hoch der Schuldenschnitt ausfällt, auf den sich Griechenland mit seinen privaten Gläubigern, allen voran den Banken, einigen kann. 50 Prozent waren auf dem EU-Gipfel im Oktober vereinbart worden, um die Schuldenlast der Griechen um 100 Milliarden Euro zu senken. Inzwischen weiß man, dass das nicht reicht. Zuletzt tat sich eine neuerliche Lücke von 10 bis 15 Milliarden Euro auf. Nun ist die Frage, wer diese Lücke schließt. Streitpunkt sind die Zinsen für die neuen Anleihen. Stimmen die Banken einem Zinssatz von drei Prozent zu, entspräche das einem Gesamtforderungsverzicht von 80 Prozent. Was Spekulanten viel Geld kosten würde, dürfte in der Politik und bei den Menschen auf der Straße gut ankommen. Lange schon herrscht hier der Verdacht, dass die Banken deutlich mehr zum Entstehen der Krise beigetragen haben, als sie zu ihrer Lösung zu tun bereit sind. Die Banken haben nun die Chance, diesen Vorwurf zu widerlegen. Andernfalls wäre es wieder einmal die Staatengemeinschaft, die direkt oder über den Umweg der Europäischen Zentralbank einspringen müsste. Über die Verdopplung des Europäischen Stabilitätsmechanismus auf eine Billion Euro wird bereits diskutiert. Noch aber sträubt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen. Ihr Veto ist richtig, so lange der Schuldenschnitt für Griechenland nicht unter Dach und Fach ist. Richtig ist jedoch auch, dass Griechenland nicht das einzige und beileibe nicht das größte Problem ist. Mittelfristig wird an einer Aufstockung des ESM kaum ein Weg vorbeiführen. Die Verteidigung des Euro wird noch teurer, auch für Deutschland.
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