Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Schlecker
Bielefeld (ots)
Deutschlands größte Drogeriekette, Branchenführer in Europa und eines der expansivsten Unternehmen im gesamten deutschen Einzelhandel: Vor zehn, ja sogar noch vor fünf Jahren stand Schlecker auf einem sehr hohen Podest. Danach wurde alles schlecht und schlechter. Die Konkurrenz zog vorbei. Schlecker aber blieb auf dem Podest, von dem es nun umso tiefer stürzte. Am schlimmsten trifft es die Arbeitnehmer. Sie sind wirklich zu bedauern. Da haben sie Jahre, vielleicht Jahrzehnte lang für einen der schlechtesten Arbeitgeber geschuftet, den die deutsche Wirtschaft hervorgebracht hat. Überwachung und Kontrolle waren scharf, die Löhne eher spärlich. Zudem waren sie oft allein in den Filialen, mussten Essens- und Toilettenpausen irgendwie selbst arrangieren. Ganz lange gab es nicht einmal in jeder Filiale ein Telefon, über das man im Notfall schnell die Polizei oder Feuerwehr alarmieren konnte - geschweige denn das Kind benachrichtigen, dass man später von der Arbeit kommt. Und alles umsonst? Jetzt bleibt aus Sicht der Belegschaft nur die Hoffnung, dass möglichst viele Beschäftigte bei der Konkurrenz oder außerhalb des Drogeriegeschäfts bei anderen Einzelhändlern unterkommen können. Zu bedauern sind aber auch die Kundinnen und Kunden. So hässlich die meisten der Schlecker-Filialen äußerlich sind, es gibt sie doch wenigstens noch an Orten, von denen sich andere Handelsunternehmen schon lange zurückgezogen haben. 3000 der 6000 Filialen sollen schließen. Das dabei entstehende Versorgungsloch wird vor allem die älteren Bürger auf dem Land vor Probleme stellen. Aber auch die Jugend wird ohne »den« Schlecker noch schwerer in der »Provinz« zu halten sein. Welcher Mutter gefällt es schon, dass sie für ein Gläschen Babynahrung, das sie beim letzten Einkauf vergaß, erst 15 Kilometer in die Großgemeinde fahren muss? Zu bedauern sind auch die Lieferanten. Sie bleiben auf unbezahlten Rechnungen sitzen, weil die Eigentümer zu spät die Reißleine gezogen haben. Es ist nur zu verständlich, wenn viele Hersteller so verärgert sind, dass sie keinen einzigen weiteren Cent für einen Neuaufbau von Schlecker aus der Insolvenz bereitstellen möchten. Überhaupt der Neuaufbau! Die Chancen dafür stehen schlecht. Nicht nur die Finanzen sind futsch, sondern auch der Name. Es gab eine Zeit, da war »nur billig« sehr gefragt. Da gefiel es sogar den Reichen, ihren Champagner beim Discounter einzukaufen. Heute achten gerade diejenigen, die nicht so viel Geld im Portemonnaie haben, verstärkt auch auf die Qualität der Waren, die sie in ihren Einkaufskorb legen. Diejenigen, die sogar nach den Produktionsbedingungen fragen, sind sicher noch wenige. Aber ihre Zahl wächst. Andere Discounter haben das erkannt und stellen sich - die einen schnell, die anderen langsamer - darauf ein. Nur Schlecker ging weiter seinen Weg. Als der Gründer endlich doch den Führerstand räumte und das Steuer seinen Kindern überließ, war es zu spät.
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