Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Grimme-Preise:
Bielefeld (ots)
Seit Jahren dasselbe Bild: RTL ist zwar der meistgesehene Sender der Deutschen, aber die öffentlich-rechtliche Konkurrenz räumt die Grimme-Preise ab. Elf von zwölf »Fernseh-Oscars« gehen 2012 an ARD und ZDF. Nur einer an den Privatsender Tele5, gar keiner an RTL. Was sagt das über Qualität im Fernsehen und die Strategie der Sender aus? Ware für die Masse trifft auf vergleichsweise wenige Produktionen mit Anspruch. Für erstere kassiert RTL Werbeerlöse, für letztere ARD und ZDF Preise. Weil RTL nicht durch Rundfunkgebühren gefüttert wird, setzt der Kölner Privatsender auf massentaugliche Formate, die damit für die werbende Wirtschaft interessant sind. Bei »Wer wird Millionär?«, »Stern TV« oder US-Serien wie »CSI« und »Dr. House« stimmt auch die Qualität, aber das gilt für vieles im Programm leider nicht. Bei den Privaten dominieren seichte Unterhaltung mit Castingshows und Comedy sowie Dokusoaps über Messies, Fettleibige und einsame Bauern. Seit dem Start der Privaten vor gut einem Vierteljahrhundert ist das TV-Programm in Deutschland nicht vielfältiger, sondern niveauärmer und boulevardesker geworden. Vermeintliche Minderheitenprogramme wie aufwändige Dokumentationen meiden die Privaten, und Nachrichtensendungen sind etwa bei Sat1 und Pro7 längst zum notwendigen Übel verkommen, um sich weiter Vollprogramm nennen zu dürfen. Angesichts von viel Mist kommt den Grimme-Preisen eine umso größere Bedeutung zu. Sie sind Indikator für Qualitätsfernsehen, Zeichen dafür, wie bereichernd Programme sein können. Damit erinnert das Grimme-Institut an die ursprüngliche, aber zunehmend in Vergessenheit geratene Aufgabe des Fernsehens, zu informieren, zu bilden und aufzuklären. Unterhalten soll es natürlich auch - aber bitte nicht hirnlos. Wer jetzt erwidert, die Menschen wollten doch die Dokusoaps der Privaten, denn sonst würde es nicht so viele davon geben, begeht einen Denkfehler. Den Zuschauern werden deshalb so viele Scripted-Reality-Formate vorgesetzt, weil sie für wenig Geld produzierbar sind. Den Zuschauern wird gleichzeitig vorgegaukelt, Dokusoaps seien das Fernsehen von heute. Trotz des Preisregens können sich die Öffentlich-Rechtlichen nicht selbstzufrieden zurücklehnen. Auch wenn ARD und ZDF sich gemäß ihrem Auftrag stärker als die Privaten Information und Anspruch verpflichtet fühlen und sich dank Gebühren Minderheitenprogramme leisten können, offenbaren die Quizshow-Flut und das Dauergelaber der ARD-Talker gleichzeitig einen Mangel an neuen Ideen. Zudem ist auch bei ihnen der Trend zum Seichten, etwa bei den belanglosen ARD-Filmen am Freitagabend, unverkennbar. Grimme-Preise sind kein Ruhekissen, sondern Mahnung. Die Deutschen saßen 2011 im Schnitt täglich 225 Minuten vor der Glotze - so lange wie noch nie. Sie haben Qualität verdient.
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