Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Wahl in Schleswig-Holstein:
Bielefeld (ots)
Die Verlierer wirken wie Gewinner und die Gewinner wie Verlierer: Ja, das Ergebnis der Landtagswahl in Schleswig-Holstein ist einigermaßen kompliziert. Da sind auf der einen Seite CDU und FDP, die die Zahlen bejubeln, obwohl Schwarz-Gelb klar abgewählt worden ist. Und da sind auf der anderen Seite SPD und Grüne, die jeweils Zuwächse für sich verbuchen können, sich aber trotzdem nicht so recht freuen wollen, denn für Rot-Grün reicht es nicht. Den angekündigten Politikwechsel hat die SPD um ihren Spitzenmann Torsten Albig deutlich verpasst. Was bleibt, ist nur die Hoffnung auf die Dänen-Ampel mit dem SSW, die aber, so sie denn überhaupt zustande kommt, eine äußerst wackelige Angelegenheit werden könnte. Heide Simonis lässt grüßen. Zum Spiel mit den vertauschten Rollen kommt es, weil das Ende der schwarz-gelben Landesregierung schlicht von allen erwartet worden war. Es war also eingepreist, wie Börsianer zu sagen pflegen. So könnte das schlechteste Ergebnis seit 1950 für die schleswig-holsteinische CDU immer noch ein gutes sein, wenn sie als stärkste Kraft die Regierungsbildung für sich beanspruchen kann. Sollte es so kommen, muss der Dank ihres Spitzenkandidaten Jost de Jager in erster Linie an die Piratenpartei gehen, die dem linken Lager und insbesondere den Grünen die entscheidenden Stimmen gekostet haben dürfte. Den Piraten wird das egal sein: Ihre Freude darf zu Recht ungetrübt sein, nachdem der Sprung in den dritten Landtag klar geschafft ist. Als sechste Partei nehmen sie im Kieler Parlament den Platz der Linkspartei ein, die ebenso klar gescheitert ist. Nicht in Prozenten, wohl aber politisch den größten Erfolg des Abends landete jedoch FDP-Spitzenmann Wolfgang Kubicki, der den Liberalen zugleich bundesweit neues Leben einhaucht. Dieses Resultat ist es auch, das die mit Abstand größten Auswirkungen auf den Endspurt im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf haben dürfte. Eine bessere Vorlage konnte sich Christian Lindner nicht wünschen. Es bedarf keiner Prognosekunst, um in Schleswig-Holstein eine schwierige Regierungsbildung vorherzusagen: Bei einem so knappen Ergebnis ist allein die Antwort auf die Frage, wer wen zu welchen Gesprächen einlädt, nicht nur eine Folge der Prozentpunkte, sondern auch der politischen Pokerkunst. Neben einer Großen Koalition und der schleswig-holsteinischen Besonderheit der Dänen-Ampel sind rechnerisch auch eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP sowie eine Jamaikakoalition aus CDU, Grünen und FDP möglich. Weil insbesondere die beiden letztgenannten Dreierbündnisse zu enormen Bewegungen in der bundesweiten Koalitionsarithmetik führen würden, wird sich allerdings vor der NRW-Landtagswahl am kommenden Sonntag ganz sicher erst einmal gar nichts tun.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell