Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Linkspartei
Bielefeld (ots)
Ein neues Führungsduo hat die Linkspartei gefunden - nicht aber eine Idee, wie sie den Prozess der Selbstzerstörung stoppen will. Der Bundesparteitag in Göttingen hat kratertiefe Gräben offenbart. Ost und West, Realpolitiker und Fundamentaloppositionelle, sie finden einfach nicht zusammen, wie die dramatische Redeschlacht zwischen Gregor Gysi und Oskar Lafontaine bewies. Für den Moment hat Lafontaine gesiegt, doch die Partei ist auf dem besten Weg, sich selbst zum großen Verlierer zu machen. Katja Kippings Appell, »diese verdammte Ost-West-Verteilung aufzulösen«, wird ein frommer Wunsch bleiben. Kaum vorstellbar ist, dass es der 34-Jährigen mit dem nahezu unbekannten Bernd Riexinger gelingt, die Linkspartei zu neuer Geschlossenheit zu führen. Dabei drängt die Zeit: Nach den desaströsen Ergebnissen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen steht mit der Wahl in Niedersachsen schon in einem halben Jahr der nächste Härtetest bevor. Sollte die Linkspartei auch da krachend scheitern, dürfte sich der Zorn im Osten, wo die Linke - als Erbe von SED und PDS - noch immer fast allerorten das Zeug zur Regierungspartei hat, weiter steigern. Die ostdeutschen Landesverbände insgesamt und Dietmar Bartsch persönlich sind die großen Verlierer des Parteitags. Der Linksruck von Göttingen hat die Distanz zwischen ihren Ansprüchen und dem Gesamtbild der Partei noch einmal deutlich größer werden lassen. Lafontaine und seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht dürften hingegen zufrieden sein: Ein Bundesvorsitzender Riexinger mag der Partei nichts nützen, ein Vorsitzender Bartsch aber hätte ihren Plänen zur Zukunft der Partei weitaus mehr geschadet. So ist Oskar Lafontaine zwar nicht wieder und Sahra Wagenknecht noch nicht Vorsitzende geworden, doch Riexinger ist bloß ein Mann von ihren Gnaden. Leidtragende dürfte Katja Kipping sein, die für sich betrachtet durchaus das Zeug hätte, eine neue Tonlage in die Partei zu bringen. Nun allerdings ist zu vermuten, dass das von Klaus Ernst und Gesine Lötzsch zu einer gewissen Perfektion gebrachte Führungsdrama eine Fortsetzung findet. Ihre Personalprobleme hat die Linkspartei in Göttingen allenfalls oberflächlich gelöst, ihre programmatische Ausrichtung und ihre Perspektive im Parteienspektrum aber ist nach dieser Wahl so konfus wie nie zuvor. Der Streit wird weitergehen. Wird er weiter so intensiv und rücksichtslos geführt wie bisher, dürfte die Spaltung nur eine Frage der Zeit sein. Eher früher als später könnte die Linke auf den Status einer ostdeutschen Regionalpartei zurückfallen. Wahrscheinlich wird sie sich überhaupt nicht neu definieren können, solange sie sich nicht ihrer Überväter Lafontaine und Gysi entledigt. Das aber ist nicht einmal ansatzweise abzusehen. Und womöglich braucht es irgendwann eine Linkspartei überhaupt nicht mehr - weder im Westen noch im Osten. Das Schlechteste wäre das nicht.
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