Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Buchpreis an Liao Yiwu
Bielefeld (ots)
Wer? So werden viele gefragt haben, als sie am Donnerstag hörten, wer den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommt. Bislang dürften nur Insider Liao Yiwu (53) gekannt haben. Auch wenn er keinen prominenten Namen trägt, hat der chinesische Dissident den Preis verdient - und der Börsenverein mit ihm eine gute und vor allem politische Wahl getroffen. Die Entscheidung wird Peking nicht gefallen, und so soll es auch sein. Es ist ein Nadelstich, verbunden mit der Botschaft: Wer mit aller Macht versucht, kritische Schriftsteller mundtot zu machen, wird angeprangert, weil Menschenrechte nicht die Sache eines Staates, sondern universell sind. »Schreiben ist ein Weg, nach Freiheit zu streben«, sagt Liao Yiwu. In seinem Heimatland wurde er 1990 wegen »konterrevolutionärer Propaganda« zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er zum Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens nicht schwieg. Er steht stellvertretend für die anderen mutigen Intellektuellen, die in China unterdrückt werden, und wird auch stellvertretend für sie mit dem Preis geehrt. Er erhält ihn am 14. Oktober - dort, wohin ihn das kommunistische Regime 2009 nicht reisen ließ: bei der Frankfurter Buchmesse. Kritische Geister lassen sich nicht für immer wegsperren. Wer sich die Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels der letzten Jahre anschaut, erkennt einen Trend. Die Auswahl wird immer politischer: 2010 wurde der israelische Friedensaktivist David Grossman geehrt, im Jahr darauf der Algerier Boualem Sansal. Damals begann der »Arabische Frühling« den Nahen Osten zu verändern. Der Preis solle Sansals mutige Kritik an Diktaturen würdigen, hieß es in der Begründung der Jury. Die Wahl des Algeriers sollte also die Demokratiebewegung in Nordafrika stärken; angesichts der politischen Zielrichtung rückte die unbestrittene literarische Qualität von Sansals Büchern in den Hintergrund. So ist es auch jetzt bei Liao Yiwu. Kultur bezieht Stellung. Ein weiteres Beispiel dafür lieferte die Berliner Akademie der Künste, als sie im Mai 2011 demonstrativ den in China drangsalierten Ai Weiwei zum Mitglied wählte. Verbunden mit der Erklärung: »Ungeachtet der offiziellen Anschuldigung von 'Wirtschaftsverbrechen' steht außer Frage, dass seine Verhaftung im Zusammenhang mit seinem Engagement für die Menschenrechte und seinen Protesten gegen die Zerstörung von Umwelt und Geschichte, die im Zentrum seines künstlerischen Schaffens stehen, zu sehen ist.« Politiker auf Staatsbesuch wagen es kaum noch, die chinesische Regierung zu kritisieren, um die Wirtschaftsbeziehungen nicht zu gefährden. Fragen von Journalisten, ob sie die Menschenrechtssituation angesprochen haben, empfinden sie als lästig. Deswegen ist es wichtig, dass wenigstens die Kultur ihren überstaatlichen Anspruch hochhält und unmissverständlich Stellung für das freie Wort bezieht - so wie jetzt mit dem Friedenspreis an den mutigen Liao Yiwu.
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