Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum jüngsten Lebensmittelskandal
Bielefeld (ots)
Nun war das Pferdefleisch doch nicht bloß in einer Fertiglasagne. Wir haben einen neuen Lebensmittelskandal. Wieder einmal ist der Aufschrei groß. Heute beraten die Verbraucherminister von Bund und Ländern über Konsequenzen. Die Grünen wollen die Massentierhaltung zum Wahlkampfthema machen. Während wir uns - zurecht - darüber aufregen, dass man uns Pferdefleisch im Rinderhack unterjubelt, essen wir mit Antibiotika behandelte Hähnchen und Puten, ohne mit der Wimper zu zucken. Oder holen uns einen Burger für einen Euro. Fleischkonsum ist eine Selbstverständlichkeit. Selbstverständlich ist mittlerweile auch das: In Niedersachsen werden in 82 Prozent der Masthuhnbetriebe Antibiotika gegeben. In vielen Großbetrieben werden den Hühnern und Puten solch opulente Brustmuskeln gezüchtet, dass sie nicht mehr laufen können (wenn sie könnten). Wir hören das und hoffen, dass es dem Tier auf unserem Teller nicht so schlimm ergangen ist. Mittlerweile kommt jedes dritte verspeiste Fleischstück vom Huhn. Doch es sind längst nicht nur wir Verbraucher, die einen Teil dazu beitragen, weil wir erstens viel und zweitens günstiges Fleisch essen wollen. Neben Erzeugern und dem Handel ist nicht zuletzt die Politik in der Pflicht. Es genügt nicht, bei jedem Skandal ins gleiche Horn zu stoßen. Es wird Zeit, endlich mehr zu tun. Das neue Arzneimittelgesetz, das eine stärkere Kontrolle des Antibiotika-Einsatzes in der Tiermast vorsieht, muss so schnell wie möglich verabschiedet werden. Wir brauchen noch mehr Kontrollen in den Betrieben und Transportketten. Das kostet Geld. Geld, das uns besserer Verbraucherschutz wert sein muss. Und was können die Fleischkonzerne tun? Sie bedienen in erster Linie die Interessen der Konsumenten. Doch wollen die wirklich alle nur viel und billig? Das Unternehmen Vion, nach Tönnies (Rheda-Wiedenbrück) Deutschlands zweitgrößter Fleischkonzern, ist gerade mit dem Label »Für mehr Tierschutz« des Deutschen Tierschutzbundes ausgezeichnet worden. Damit will das Unternehmen nach eigenen Angaben »dem Wunsch der Verbraucher nach mehr Tierschutz in der Fleischerzeugung nachkommen«. Kriterien für die Zertifizierung sind unter anderem der Verzicht auf den vorbeugenden Einsatz von Antibiotika und mehr Bewegungsfläche im Stall. Das Fleisch ist teurer als herkömmliche Produkte des Konzerns. Im Moment läuft eine Testphase. PR-Aktion oder ernsthafter Wunsch, etwas zu verändern? Schwer zu sagen, aber letztlich entscheidet der Verbraucher mit. Wenn er das teurere Fleisch nicht will, wird ein Konzern kein Interesse haben, das Konzept weiter zu verfolgen. Immer neue Skandale offenbaren die immer gleiche Essenz: Der Verbraucher hat ein Recht auf einwandfreie Lebensmittel. Hierfür müssen Erzeuger und Politik sorgen. Über seinen Fleischkonsum entscheidet jeder selbst. Am Ende ist weniger manchmal mehr. Und mehr Kontrolle besser. Den Anfang können heute die Verbraucherminister machen.
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