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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Homo-Ehe

Bielefeld (ots)

Nennen wir ihn einfach mal Karl-Heinz. Karl-Heinz ist 59 Jahre alt und hat bei der Bundestagswahl 2009 die CDU gewählt - nicht zum ersten Mal und aus Überzeugung. Wenn Karl-Heinz nun im Herbst erneut seine Stimme abgibt, wird er sich fragen, ob das immer noch so ist. Denn mit den Überzeugungen der CDU ist nur noch wenig so wie vor vier Jahren. Frei nach Populärphilosoph Richard David Precht könnte man fragen: Für was steht die CDU und wenn ja, wie lange? Der sich jetzt abzeichnende Kurswechsel in Sachen Homo-Ehe ist nach der Kehrtwende in der Atompolitik und der Abschaffung der Wehrpflicht schon die dritte große Richtungsänderung, die die Partei unter ihrer Vorsitzenden und Kanzlerin Angela Merkel in dieser Legislaturperiode vollzieht. Und dabei muss es nicht bleiben. »Allgemeinverbindliche Lohnuntergrenze« heißt der nicht ohne Grund sperrige CDU-Begriff für einen Mindestlohn, den allen voran Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen und NRW-Fraktionsführer Karl-Josef Laumann propagieren. Anders als bei der Homo-Ehe ist hier zwar nicht mit der Zustimmung des Koalitionspartners FDP zu rechnen, doch in Wahlkampfzeiten wird das die CDU kaum beeindrucken. »CDU - wo Kurswechsel Alltag sind« könnte ein sinnfälliger Slogan für das Modernisierungstempo lauten, das Merkel ihrer Partei zutraut oder zumutet - je nach Sichtweise. Nie ganz klar ist dabei, ob die Vorsitzende aus echter Einsicht oder bloß aus taktischem Kalkül handelt. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem. Programmpragmatismus à la Merkel eben, der sich stets mehr an gesellschaftlichen Realitäten und den Angeboten der politischen Konkurrenz orientiert als an der Seelenlage oder gar überlieferten Lehrsätzen der Christdemokratie. So hält die Runderneuerung in ihrer Summe mittlerweile Qualen für Teile des eigenen Parteivolks bereit, die denen der Schröderschen Agenda-Politik für die SPD kaum nachstehen. Vom Gemütszustand der Schwesterpartei CSU mal ganz zu schweigen. Doch anders als der SPD könnte Angela Merkel das Kunststück gelingen, die Union im laufenden Regierungsbetrieb neu auszurichten. Selbst wenn der Schwenk in Sachen Homo-Ehe nur der Angst vor einer abermaligen Ohrfeige durch die Verfassungsrichter geschuldet wäre, änderte das nichts daran, dass Michael Grosse-Böhmer, Volker Kauder und Co. mit ihrem Vorstoß der Opposition ein Argument aus der Hand schlagen. Und nebenbei wäre wieder ein Stolperstein im Verhältnis zu den Grünen beiseite geräumt. So verbindet sich das sachpolitisch Wünschenswerte oder eben Unausweichliche mit dem machtpolitisch Nützlichen. Ob weiter Schwarz-Gelb mit der FDP, wieder eine Große Koalition mit der SPD oder das »ausgeschlossene« Bündnis mit den Grünen: Für die Merkel-CDU ist alles denkbar. Gemacht wird, was die Macht erhält. Klingt doch überzeugend - nicht wahr, Karl-Heinz?

Pressekontakt:

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Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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