Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Peer Steinbrück
Bielefeld (ots)
Mit Peer Steinbrück ist es so wie bei Lebensmittelskandalen. Es hört wohl nie auf. Dabei sind die verbalen Entgleisungen des SPD-Kanzlerkandidaten mindestens genauso überflüssig wie falsche Bio-Eier, Pferdefleisch in der Lasagne oder verseuchtes Tierfutter. Gewiss: Die Skandale um unser Essen stellen ein viel größeres Problem dar als Peer Steinbrücks Wortakrobatik. Dennoch bereitet sein Verhalten der Partei Sorgen. Über die jüngsten Clown-Vergleiche ihres Spitzenmannes kann in der SPD niemand mehr so richtig lachen. Man fragt sich sogar: Will er überhaupt noch Kanzler werden? Mit seinen hohen Nebenverdiensten und der Kritik an zu geringen Kanzlerbezügen fing alles an. Da dachte man noch: Es läuft unglücklich für Merkels Herausforderer. Doch spätestens nach der Beleidigung zweier italienischer Politiker ist klar, dass Peer Steinbrücks vermeintliche Ausrutscher gar keine Ausrutscher sind. Da macht es keinen Unterschied, ob seine eigenwillige Wortwahl nun witzig gemeint war oder nicht. Man fragt sich dennoch: Entweder der Kandidat will nicht anders oder er kann nicht anders. Beides ist wohl richtig. Im Gegensatz zu vielen anderen Politikern redet Peer Steinbrück Klartext. Manche loben ihn für seinen Mut. Aber ist es wirklich mutig, zwei Politiker aus dem Nachbarland als Clowns zu bezeichnen? Hat Peer Steinbrück nicht andere rhetorische Fähigkeiten, ein zweifelsohne diskussionswürdiges Wahlergebnis und einen in der Tat fragwürdigen Politiker wie Silvio Berlusconi zu kritisieren? Man muss nicht päpstlicher sein als der Papst. Humor gehört zum politischen Geschäft. Aber dennoch: Wer Bundeskanzler werden will, darf sich nicht über ein Land lustig machen, das in einer schweren Regierungskrise steckt. Staatspräsident Giorgio Napolitano hat recht, wenn er sagt: »Jeder kann denken, was er will, aber man muss ausgewogen sein bei der eigenen Wortwahl.« Deutschland ist in Europa ein Musterschüler. Wir sind dem Ausland in vielen Bereichen um Längen voraus. Wenn dann ein Steinbrück aus lauter Überheblichkeit Spitzenpolitiker mit Clowns vergleicht, wird aus Beinfreiheit ein Fußtritt. Peer Steinbrück ist auch deshalb schwach, weil er Alleinkämpfer ist. Ihm fehlt die Rückendeckung. Die Sozialdemokraten fremdeln mit ihrem Kandidaten. Steinbrück und die SPD, das passt eben nicht. Hier der kühl wirkende Finanzfachmann, der ohne Rücksicht drauflospoltert. Dort die harmoniesüchtige SPD, die sich eigentlich einen Kandidaten zum Kuscheln wünscht und über Mindestlohn, soziale Gerechtigkeit und Homo-Ehe sprechen will. Dumm nur, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Themen gerade im Schnellverfahren abräumt und somit ihre Partei fit für die Grünen macht. Man kann Merkels Tempo kritisieren. Aber wenigstens weiß Angela Merkel, wie sie die Bundestagswahl gewinnen kann. Im Gegensatz zu Peer Steinbrück.
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