Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Doping in Deutschland
Bielefeld (ots)
Die Berliner Historiker haben in ihrer Studie zur Dopingvergangenheit- und gegenwart der Bundesrepublik Deutschland einige neue Puzzleteile zum Sittenbild der westdeutschen Dopingrepublik entdeckt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Geschichte des deutschen Sports muss deshalb nicht neu geschrieben werden. Denn die zentralen Fakten sind seit Jahrzehnten bekannt. Werner Franke, Doping-Aufklärer Nummer eins, wird zwar nicht gegähnt haben, als er die »Enthüllungen« in der Süddeutschen Zeitung gelesen hat. Dafür ist er ein zu ernsthafter Mensch. Aber gedacht haben: Kenn ich, weiß ich. Hat meine Frau alles schon geschrieben. In ihrem Buch »Doping. Von der Forschung zum Betrug«. 1991. Nimmt man dann noch den Fall Birgit Dressel aus dem Jahr 1987 dazu, kann kein im Bereich Sport tätiger Mensch mehr sagen, er habe nichts davon gewusst, dass auch im Westen gedopt wurde. Nicht systematisch, aber in »kleinen Zellen«. Wie es Helmut Digel, der langjährige Präsident des Deutschen Leichtathletikverbandes, ausdrückt. Und er benennt sie: Köln, Saarbrücken, Freiburg. Also den Topinstituten der Sportmedizin. Das Problem war aber, auch das ist schon mehrfach beschrieben worden, dass es keinen wirklich interessiert hat. Denn das Austrocknen des Dopingsumpfes hätte eben auch bedeutet, dass im Kampf um Gold, Ruhm und Geld im internationalen Geschäft kein Blumentopf zu gewinnen gewesen wäre. Also spielten alle mit: Politik, Sportverbände, Ärzte, Sportler und ja, auch die Medien jubelten mit. Im heißen Kampf um Medaillen im Kalten Krieg waren eben alle Mittel erlaubt. Jetzt hysterisch zu werden, ist überflüssig. Die Jahrzehnte des kollektiven Tiefschlafes müssen nicht in Tagen aufgearbeitet werden. Wünschenswert wäre, dass jetzt endlich Konsequenzen gezogen würden. Was ist mit den Normen für die Sportförderung, was ist mit dem Zusammenspiel Schule/Studium/Leistungssport, was wollen wir als Land uns saubere Medaillen kosten lassen, warum gibt es keine den Realitäten angepasste strafrechtliche Möglichkeit, Dopingvergehen zu ahnden, warum sieht und verehrt die sportinteressierte Öffentlichkeit (Fans und Medien) gedopte Erste, aber nicht saubere Vierte? Wenn die Studie und die Marktschreier, die jetzt ein »Alle Fakten auf den Tisch, wen interessiert die Rechtslage« postulieren, eine zielführende Diskussion angestoßen haben, dann haben sich die Kosten von 525 000 Euro bezahlt gemacht. Aber auch nur dann. Eine Randnotiz: Heiß diskutiert wird auch ein so genanntes Schlüsseldokument, dass unter anderem der »Main-Post« vorliegt. 1971 beantragte Professor Joseph Keul beim Bundesinstitut für Sportwissenschaft (dem Bundesinnenministerium unterstellt) Gelder, um die Wirkung anaboler Steroide zu untersuchen. Für Erik Eggers, Mitarbeiter an der Berliner Studie, ist damit der Erstnachweis erbracht, die Politik habe Doping finanziert. Nur: Erst ab 1974 war die Einnahme anaboler Steroide Doping.
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