Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Syrien
Bielefeld (ots)
Der Schlüssel für die Lösung der syrischen Krise liegt in Moskau. Und das in mehrfacher Hinsicht. Zum einen blockiert das russische Veto jede Demarche der UNO. Zum Zweiten braucht Moskau für seine Mittelmeerflotte einen Tiefseehafen, das syrische Tarsus ist unverzichtbar. Der Versuch, mit Zypern über Milliardendarlehen während der zyprischen Zahlungskrise ins Geschäft zu kommen, ist vorerst gescheitert. Apropos Milliarden: Putin sähe es nicht gern, wenn, zum Dritten, die mehr als 20 Milliarden Euro, die Damaskus Russland schuldet, abgeschrieben werden müssten. Und zum Vierten, das ist momentan das vitalste Interesse, konzentrieren sich in Syrien Terroristen aller Länder, auch aus Tschetschenien und überhaupt dem Kaukasus. In der Tat spricht manches dafür, dass die diskrete Information zutrifft, wonach von Russen trainierte und geführte Spezialeinheiten in Syrien Menschenjagd auf kaukasische Islamisten machen - mit stiller Zustimmung Washingtons. Solange das Regime Assad diese Interessen Russlands bedient, solange wird Putin dieses Regime halten. Aber der Geheimdienstmann Putin hat beim KGB auch gelernt, dass man in Alternativen denken muss. Das Regime Assad ist nicht alternativlos. Moskau baut bereits einen Geschäftsmann als Nachfolger Assads im Ausland auf. Vor allem aber wird man im Kreml einer alten Idee neu nachgehen: Kurdistan. Die Islamisten betrachten die Kurden als Gottlose und behandeln sie im Norden Syriens entsprechend. Ein ganzes Dorf wurde im Juli in Geiselhaft genommen, einige Dutzend Männer, die sich wehrten, wurden sofort getötet, Frauen mussten sich auf dem Marktplatz ausziehen, die Kinder müssen seither in ihren Schulen die Shahada, das Glaubensbekenntnis der Muslime, ständig wiederholen. Die Islamisten werden von der Türkei unterstützt, Ankara fürchtet, dass die Kurden die Bürgerkriegssituation für ihr Unabhängigkeitsstreben nutzen könnten. Immerhin sind die Kurden mit rund drei Millionen Menschen die größte Minderheit Syriens, selbst die herrschenden Alawiten zählen weniger. Es ist ein Volk mit eigener Sprache, eigener Kultur, mehreren Religionen. Ihr Siedlungsgebiet erstreckt sich über Teile Syriens, des Irak, des Irans und der Türkei. Und unter dem Boden des virtuellen Kurdenstaates liegt viel Öl, der Staat wäre ein Machtfaktor in der Region und das wollen Ankara, Teheran und Bagdad um jeden Preis vermeiden. Jetzt wehren sich die Kurden besonders gegen die islamistischen Organisationen EIIL (Islamischer Staat im Irak und in der Levante) und die Al Nusra. Sie sind kaum bewaffnet. Wer ihnen hilft, hat im neuen Mittleren Orient, der sich nach dem Bürgerkrieg in Syrien und der wahrscheinlichen Teilung des Landes bilden wird, eine Trumpfkarte. Sich hier einzumischen, und sei es nur aus humanitären Gründen, wäre sicher sinnvoller als die wahltaktische Nahost-Reise des deutschen Außenministers. Moskau scheint da klüger zu sein.
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