Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Ägypten
Bielefeld (ots)
Der erste Wahlgang der Präsidentschaftswahl in Ägypten im letzten Jahr wurde am 23. und 24. Mai abgehalten. Am 16. und 17. Juni kam es dann zu einer Stichwahl zwischen Mohammed Mursi von der islamistischen Freiheits- und Gerechtigkeitspartei und dem unabhängigen Kandidaten Ahmad Schafiq, der unter Präsident Husni Mubarak Minister und Premierminister gewesen war. Mursi gewann die Wahl mit 51,7 Prozent gegen Schafiq (48,3 Prozent). Am 3. Juli 2013 enthob das Militär Mursi seine Amtes. Die Reaktionen der Welt reichen von Bestürzung bis Entsetzen. Vielmehr ist aber auch nicht. Und das, obwohl es in einem der wichtigsten Länder des Nahen Ostens einen Militärputsch gegeben hat. Statt arabischem Frühling herrscht blutiges Chaos. Wo bleiben die Aufforderungen der internationalen Staatengemeinschaft an Generaloberst Abd al-Fattah as-Sisi sofort die Gewalt zu beenden? Dem Vorsitzenden des Obersten Rates der Streitkräfte werden blendende Kontakte zum US-Militär nachgesagt. Wo bleibt die Aufforderung, demokratische Wahlen und ihre Resultate zu respektieren? Oder ist man nur zu gerne bereit, stillschweigend die Toten in Kauf zu nehmen, weil bei der Wahl nicht der Kandidat gekürt wurde, der am bequemsten ist? Das ägyptische Militär begründet die Härte seine Durchgreifens mit vermuteten oder tatsächlichen Waffen in den Händen der Muslim-Brüder. Aber haben nicht genau diese Waffen auch geholfen, Husni Mubarak aus dem Amt zu treiben und hatten nicht auch die Oppositionellen unter Mursi zuvor als Waffenträger zur Absetzung des Diktators Mubarak beigetragen? Und hatten nicht letztlich gerade die, die jetzt Mursi so kritisch betrachten, ihm gratuliert, als er sein Amt antrat? Nur Mohammed El Baradei hat moralisch richtig gehandelt. Er hat sein Amt als Vizepräsident niedergelegt. »Ich will nicht die Verantwortung für Entscheidungen tragen, mit denen ich nicht einverstanden bin«, erklärte der Friedensnobelpreisträger. Wenn man will, dass die Staatsform Demokratie ein Exportschlager bleibt (oder wird), darf man in Wahlen getroffene Resultate nicht torpedieren und die Verfehlungen genehmer Entscheidungsträger bagatellisieren. Wie soll Menschen in Ägypten, Irak oder Afghanistan die Demokratie schmackhaft gemacht werden, wenn für sie das Leben nicht erträglicher wird. Wie kann man es den Menschen da verdenken, wenn sie das Gefühl haben, mit ihrem Blut für die Sicherheit in westlichen Ländern zu zahlen. Für Winston Churchill ist die Demokratie die Notwendigkeit, sich gelegentlich den Ansichten anderer Leute zu beugen. Aber der ehemalige englische Premier hat auch gesagt: »Wenn es morgens um sechs Uhr an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe.«
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