Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Finanzminister Schäuble
Bielefeld (ots)
Noch 29 Tage bis zur Wahl und was ist die politische Erkenntnis der Woche? Wolfgang Schäuble ist Angela Merkels bester Mann. Wer solche Zahlen vorweisen kann, hat bei seinen Kundgebungen auf den Marktplätzen und im Gespräch mit den Bürgern eine Sorge weniger. Mitten in der Euro-Schuldenkrise erzielt der Staat den höchsten Überschuss in einem Halbjahr seit fast 13 Jahren. Die gute Konjunktur und eine Beschäftigung auf Rekordniveau lassen die Steuern sprudeln. Dazu sind die Sozialausgaben extrem niedrig. Kurz: Nicht allen, doch vielen Deutschen geht es gut. Zwar bleibt der Bund mit 2,2 Milliarden Euro im Minus. Doch was es jahrzehntelang nicht mehr gab, rückt nun in greifbare Nähe: ein ausgeglichener Staatshaushalt. Und erst dann kann der längst überfällige Schuldenabbau endlich beginnen. Hinter alldem steckt der Finanzminister - nicht persönlich, aber politisch. An seinem Veto ist in dieser Legislaturperiode mancher Traum eines Ministerkollegen geplatzt. So hat Schäuble die Ausgaben unter die Einnahmen gedrückt. Am Ende profitiert der Staat dann schlicht von einer überaus stabilen Konjunktur. Schäuble ist also kein Zauberer, aber ein sehr guter Haushälter. Seinen Wert für die schwarz-gelbe Bundesregierung hat der 70-Jährige dieser Tage aber auch noch auf eine ganz andere Art bewiesen. Mit der keineswegs unbedachten, sondern wohlüberlegten Aussage, es werde ein drittes Hilfspaket für Griechenland geben müssen, hat er Angela Merkel vor einem sehr großen Fehler bewahrt. Zwar war die Kanzlerin verstimmt - sie hätte das Thema gern bis zum 22. September totgeschwiegen. Aber Schäubles Instinkt bleibt trotzdem goldrichtig: Angesichts der nicht enden wollenden Spekulationen musste sich die Regierung festlegen - auch wenn das Resultat nun wieder viele Bürger ärgert. Schäubles Ahrensburger Worte haben zwar weit weniger von einer Kehrtwende, als viele glauben machen wollen. Doch die beißende Kritik der Opposition zeigt, wie brisant das Thema weiter ist. Keine Frage: Hätte auch Schäuble geschwiegen, wäre eine mögliche neue Regierung Merkel garantiert der Wahllüge bezichtigt worden. Nun aber lautet - wenn auch sehr, sehr spät - die Botschaft: »Wir sind ehrlich.« Schäuble hat sich illoyal gezeigt, aber er hat es zum Schutz der Regierung und der Regierungschefin getan. Gewiss wäre er auch bereit, es wieder zu tun. Zum einen, weil er weiß, dass auch SPD und Grüne Griechenland nicht fallenlassen würden. Aber auch, weil er es sich wie kein anderer Minister im Kabinett Merkel erlauben kann. Zwar ist das Verhältnis zwischen der Kanzlerin und ihrem Finanzminister nicht ungetrübt. Immerhin war es Merkel, die Schäuble einst aus dem Amt des CDU-Vorsitzenden gedrängt hatte. Doch derzeit ist die Kanzlerin mehr auf ihren Mi- nister angewiesen als umgekehrt.
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