Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum G20-Gipfel
Bielefeld (ots)
Wenn Waldimir Putin heute die Staats- und Regierungschefs zum G20-Gipfel im prachtvollen Konstantinpalast von St. Petersburg empfängt, sind die Erwartungen an konkrete Ergebnisse außerordentlich hoch. Offiziell soll das Thema Syrien nicht auf der Tagesordnung stehen - natürlich wird aber darüber gesprochen. Die atmosphärischen Störungen nach Bekanntwerden der NSA-Affäre zwischen Russland und den USA könnten sogar eine Einigung bei den Themen Finanzmärkte oder Kampf gegen die Steuerflucht gefährden. Gespannt erwartet wird der Aktionsplan, den die EU-Kommission in Russland vorlegen will. Brüssel will der aggressiven Steuerplanung ein Ende machen. Das Hinterziehen von Steuern ist bekanntlich strafbar. Steuern vermeiden aber nicht. Darin kennen sich multinationale Unternehmen bestens aus. Eigentlich ist das Problem ja nicht neu und die Aktionspläne sind es auch nicht. Die hat es schon vor der Währungsunion gegeben. Aber die EU hat es versäumt, das Problem in ihren eigenen Reihen zu lösen. Solange sich die EU-Staaten untereinander die Steuerzahler abjagen, werden auch alle weltweiten Bemühungen vergebens sein. Das Bundesverfassungsgericht würde mit Beschwerden überhäuft, wenn beispielsweise die Unternehmensgewinne in Frankfurt mit 36 Prozent, in München aber mit 15 Prozent besteuert, in Bielefeld dagegen mit nur zehn Prozent. Solche regionalen Unterschiede wären in Deutschland ausgeschlossen. Aber so ähnlich ist das Bild in der EU bei der Körperschaftssteuer: In Frankreich beträgt der Satz für einbehaltene Gewinne 36 Prozent, in Deutschland nur 15,8 Prozent. Irland ködert Firmen mit einem Satz von 12,5 Prozent und die Mittelmeerpleite-Insel Zypern mit zehn Prozent. Es sind dasselbe Irland und dasselbe Zypern, die wegen ihres aufgeblähten Bankensektors Milliardenhilfen der Euro-Partner benötigten. Somit soll Deutschland dafür haften, dass ihnen die Iren und Zyprioten die Steuerzahlungen deutscher Unternehmen wegnehmen. Das Investitionskapital fließt dorthin, wo es am geringsten besteuert wird - ganz legal. Den europäischen Finanzämtern brechen durch »Tax-Shopping« jährlich insgesamt eine Billion Euro weg. Zu einer Zeit, wo die Länder ihre Haushaltsdefizite abbauen müssen. Die Steuer-Erosion geht zu Lasten der Beschäftigung. Denn damit das Steueraufkommen nicht sinkt, wird die Steuerbelastung vom Kapital auf den immobilen Produktionsfaktor Arbeit verlagert. Wo soll der Fiskus geeignete Mittel zum Ausgleich der Steuerausfälle finden? Das Kapital ist mobil. Die EU-Länder haben längst ihre Steuerhoheit eingebüßt. Deutschland hat die Steuervermeidung für sich selbst zu lösen versucht, als es 2008 die »Zinsschranke« einführte. Natürlich wäre eine weltweit koordinierte Reform ideal. Aber wie soll die kommen, wenn es nicht mal ein Mindestmaß an steuerlicher Harmonisierung in der EU gibt?
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell