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Westfalen-Blatt: das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Iran

Bielefeld (ots)

Für religiöse Minderheiten im islamischen Gürtel zwischen Casablanca und Taschkent ist die Taquia, die Kunst der Verstellung, eine Frage des Überlebens. Vor allem Drusen und Schiiten haben die Taquia zur Tugend erhoben. Sie ist nahezu genetisch eingebrannt in das Bewusstsein dieser Minderheiten - für Mullahs im Iran ist sie sogar zur zweiten Natur geworden. Vor diesem Hintergrund sind die Signale einzuschätzen, die seit der Wahl des neuen iranischen Präsidenten Rohani von Teheran ausgesandt werden: Oppositionelle und Menschenrechtler werden auf freien Fuß gesetzt, man gratuliert den Juden zum Neujahrsfest und als moderat geltende Diplomaten ersetzen die Hardliner bei der UNO und bei der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien. Jetzt ist sogar von einer »heroischen Flexibilität« die Rede, die Revolutionsführer Chamenei für die Atomverhandlungen ankündigt. Der Zeitpunkt für diese Signale passt zur ambivalenten Haltung der Mullahs. Kurz vor der UN-Vollversammlung und vor den Verhandlungen über die Atomanlagen Irans wollen die alten und neuen Machthaber in Teheran Gesprächsbereitschaft bekunden - und wieder Zeit gewinnen. Sie rechnen sich Chancen aus, vor allem die Amerikaner hinhalten und zu einer Lockerung der Sanktionen bewegen zu können. Das Land steht vor dem Kollaps. Die Inflation liegt bei 40 Prozent, der Brotpreis schnellt in die Höhe, Banken und Haushalte sind überschuldet, der Import gerät zum Rinnsal. Ein Stopp der Zentrifugen gegen die Lockerung der Sanktionen - das ist der Deal. Das wird Außenminister Zarif am Sonntag in New York vorschlagen. Aber was kommt zuerst? Und werden die Israelis dem Glauben schenken? Sie kennen die Taquia. Selbst wenn US-Präsident Obama, dessen Zaudern in der Syrien-Krise in Teheran sehr aufmerksam beobachtet wurde, sich hinhalten lassen sollte, die Israelis werden nicht darauf eingehen. Sie sind bereit für einen Luftschlag gegen die Nuklearanlagen. Syriens C-Waffen sind gefährlich, Irans Bombe wäre tödlich. Obama trifft nächste Woche Benjamin Netanjahu. Der israelische Premier hat einen Trumpf in der Hand, der auch in Amerika immer sticht. Die Saudis wollen die Vernichtung der Nuklearanlagen, die anderen Ölmonarchen am Golf ebenfalls. Die Saudis als strenge Sunniten betrachten die Mullahs im Iran als Erben Alis - ein Vetter und Schwiegersohn des Propheten Mohammed - und damit als Abtrünnige vom orthodoxen islamischen Glauben. Nicht allein deshalb drängen die Saudis Washington und Jerusalem zum Handeln. Die ultimative Waffe in der Hand der Mullahs - das müsse unbedingt verhindert werden. Das sieht Israel genauso. Obama redet nur davon. Wenn Teheran keinen kontrollierbaren Stopp vornimmt, wird er sich dem Druck Riads und Jerusalems beugen. Das kann schon im Herbst der Fall sein.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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