Westfalen-Blatt: das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zu den Grünen
Bielefeld (ots)
Claudia Roth, Renate Künast, Jürgen Trittin: Binnen weniger Stunden haben die Grünen einen Großteil ihrer Führungsspitze verloren. Der 24. September 2013 wird in die Parteigeschichte eingehen. Fragt sich nur, als was. Als erster Tag des Neuanfangs - oder als Anfang vom Ende? Künast und Trittin haben die Grünen im Wahlkampf vor allem als Steuererhöher und Spaßbremser positioniert. Mit der Debatte um den »Veggie-Day« hat sich die Partei ins eigene Fleisch geschnitten. Nicht mehr als alternativ und bisweilen sympathisch-chaotisch, sondern vor allem als moralinsauer und obrigkeitsstaatlich wurden die ehemaligen Ökopaxe wahrgenommen. Der grüne Markenkern ist nachhaltig beschädigt. Das bislang stets sorgsam austarierte Parteigefüge ist ebenfalls in eine Schieflage geraten. Männlein, Weiblein, Realo, Fundi: Der grüne Abzählreim funktioniert nicht mehr. Allen voran Fraktionschef Trittin ließ die Grünen nach links rutschen. Das grüne Urgestein Joschka Fischer hat den strategischen Fehler zutreffend analysiert: Wer sich zwischen SPD und Linkspartei zu drängen versucht, wird eingequetscht. Das ureigenste Politikfeld der Grünen, der Atomausstieg und die Energiewende, blieb dagegen unbestellt. Was also tun? Zurück in die Zukunft? Mit Anti-Atom-Sticker und Strickwolle? Das dürfte kaum reichen. In Sachen Netzpolitik und Bürgerrechte müssen die Grünen nachlegen, ebenso besteht Erklärungsbedarf in der Wirtschafts- und Europapolitik. Doch den Grünen fehlt nicht nur ein schlüssiges Konzept. Sie haben es auch versäumt, das Führungspersonal für die Zukunft frühzeitig genug bekannt zu machen. Weder der Parteilinke Anton Hofreiter, der neben der konservativen Katrin Göring-Eckardt die Fraktion führen will, noch die als mögliche künftige Ko-Parteichefin gehandelte frühere saarländische Umweltministerin Simone Peter sind Gesichter mit bundesweitem Wiedererkennungswert. Das neue Führungspersonal muss noch Vertrauen aufbauen. Regierungsfähig erscheinen die Grünen derzeit jedenfalls nicht. Als Juniorpartner einer schwarz-grünen Koalition wären sie heillos unterlegen.
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