Westfalen-Blatt: das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum SPD-Konvent
Bielefeld (ots)
200 Genossen sollen heute Abend sagen, wie es die SPD mit der Macht hält. Regierungsbeteiligung, Opposition, Neuwahlen? Die Delegierten dürfen annehmen, sie hätten den Gang der Dinge in der Hand. Aus dem Konvent am frühen Abend könnte ein schneller Formelkompromiss, ein Beschluss zur Mitgliederbefragung oder auch eine lange Nacht der Messer werden. Sigmar Gabriel, Andrea Nahles, Peer Steinbrück und die anderen Großkopfeten der deutschen Sozialdemokratie stehen einigermaßen rat- bis hilflos da. Der sonst nie um ein Wort verlegene Parteichef ist seit Tagen stumm. Auch der Generalsekretärin und dem Ex-Kanzlerkandidaten fehlen die Worte. Die sonst so gern gesehenen Kameras und Mikrofone müssen heute Abend draußen bleiben. Man will und muss unter sich sein. Ganz klar: Die Partei braucht nach einer Bundestagswahl, insbesondere nach diesem, wie sich zeigt, schwierigen Ergebnis einen Schonraum, in dem alles von allen gesagt werden kann. Das darf gerne auch mehrfach und bis zum Überdruss geschehen. Das nimmt Druck vom Kessel. Niemand, nicht einmal die Parteispitze weiß diesmal, wie es wirklich läuft. Da geht es natürlich um die Risiken einer großen Koalition mit einer Kanzlerin, die angeblich ihre Partner ruiniert. Da geht es unter Umständen schon um die Frage, welche Steuern oder Mietpreisbremse man der Union abschwatzen und welches Erziehungsgeld und welche Maut für Ausländer man der CSU doch noch ausreden könne. Bliebe es dabei, bestünde kurzfristig keine Gefahr - außer, dass die Kernfrage nur aufgeschoben, aber nicht beantwortet wäre. Die SPD ist am Sonntag meilenweit hinter ihrem Wahlziel zurückgeblieben. Rot-Grün behauptete, eine eigene Mehrheit schaffen zu können. In Wahrheit erreichten beide Parteien nur ein Drittel der Wähler. Steinbrück wollte Bundeskanzler werden, ohne mit der Linken noch mit der Union reden zu müssen. Eine Lebenslüge des Kandidaten. Während die Grünen am Samstag ausführlich über eigene Fehler sprechen, die FDP ihre Sachen packt und die Linke sich zur größten Kraft unter den Kleinen schönredet, hat die SPD noch nicht einen einzigen zentralen Gedanken zur Aufarbeitung des zweitschlechtesten Ergebnisses seit 1949 formuliert. Im Gegenteil. NRW-Chefin Hannelore Kraft lenkt nach Kräften ab. Ihr Landesverband hat wohl aus ganz eigenen Gründen den Mitgliederentscheid zwecks Torpedierung einer großen Koalition ins Spiel gebracht. Zum einen herrscht in der SPD blanke Wut über die eigene Führung, der begehrliche Blicke auf Ministersessel unterstellt werden. Zum anderen hat NRW mehr als jedes andere Land viele zusätzliche Milliarden aus Steuern in seine Finanzplanung eingepreist. Ohne die von Rot-Grün gewünschte Mehrbelastung der Bürger in Höhe von 40 Milliarden droht Kraft noch vor 2020 das Geld auszugehen.
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