Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Iran/Atomverhandlungen
Bielefeld (ots)
Die Sehnsucht nach Frieden ist stark wie ein Trieb der Natur. Als Eduard Daladier und Neville Chamberlain Ende September 1938 nach Paris und London mit der Versicherung des Friedens für ihr Zeitalter zurückkehrten, da wurden sie gefeiert wie Helden. Schon ein halbes Jahr später war das Münchener Abkommen Makulatur und wieder ein halbes Jahr darauf brach der große Krieg aus. Wiederholt sich die Geschichte jetzt bei den Atomverhandlungen mit dem Iran? Die friedlich-freundliche Stimmung unter den Vetomächten plus Deutschland auf der einen und der aufgeräumt scherzenden iranischen Unterhändler auf der anderen Seite lässt Hoffnungen aufkommen. Aber alle wissen, dass wirkliches Vertrauen erst nach Taten einkehren wird. Die stehen noch aus. Die Expertengespräche der Iraner mit den Fachleuten der Atomenergiebehörde IAEO in dieser Woche sollen dazu führen und die Ergebnisse dann auf Ministerebene diskutiert werden. Unsichtbar mit am Tisch indes sitzen die Israelis. Denn nicht nur die wirtschaftlichen Sanktionen haben die Mullahs an den Verhandlungstisch gezwungen, sondern auch die Bereitschaft und in Manövern dieser Tage demonstrierte Fähigkeit der israelischen Luftwaffe, im Zweifelsfall iranische Atomanlagen so weit als möglich zu vernichten. Was wird stärker sein: Die Sehnsucht nach Frieden oder das nüchterne Sicherheitskalkül in Tel Aviv? US-Geheimdienste haben ausgerechnet: In sechs Monaten hätten die Iraner die Bombe, israelische Dienste sagen, in drei Monaten sei es soweit. Aber das seriöse amerikanische Institut für Wissenschaft und internationale Sicherheit, kommt zu dem Schluss, dass die Iraner genügend angereichertes Uran hätten, um bereits in sieben Wochen eine Atombombe anzufertigen. Mit anderen Worten: Wenn in Genf bis Mitte Dezember kein Abkommen erzielt wird, wäre mit einem israelischen Angriff noch vor Weihnachten zu rechnen. Sicher ist: Iran steht kurz vor dem Ziel, und nur schnelle substantielle Zugeständnisse können für ein friedliches Weihnachten sorgen. Diese Zugeständnisse sehen so aus: Unbeschränkter und unkontrollierter Zugang der Ingenieure der Internationalen Atomenergieorganisation zu den Nuklearanlagen, auch den unterirdischen; ferner Zugang zu Militäranlagen wie Parchin, wo offenbar in einem Druckbehälter Versuche für einen Nuklearzünder angestellt wurden; schließlich Zugang zum Schwerwasserreaktor Arak, mit dem man ebenfalls an kernwaffenfähiges Plutonium gelangen kann. Sollte Teheran auf diese Forderungen eingehen, werden die Sanktionen aufgehoben und wird es einen Vertrag geben, mit dem auch Israel leben kann und muss. Selbst wenn der Iran »wie fünfzigmal Nordkorea« ist, wie der israelische Premier sagt. Denn diese Zugeständnisse wären, anders als das Münchner Abkommen, weit mehr als Worte. Sie sind die Probe auf das Versprechen »Frieden im Jahr 2013«.
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