Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur CDU
Bielefeld (ots)
Die CDU hat gestern den Koalitionsvertrag strittig diskutiert, aber am Ende einstimmig angenommen. 20 der 30 Wortmeldungen klangen ablehnend, zur Enthaltung rangen sich allerdings gerade zwei Delegierte durch. Ist die CDU also doch ein Kanzlerwahl- und -stützverein? In diesen Wochen auf jeden Fall. Vor der Wahl setzte Merkel im Alleingang Mietpreisbremse, Mütterrente und Mindestlohn auf die CDU-Agenda. Mitsprache gab es mangels Wahlparteitag nicht. Nach dem 22. September wurde intern über alles, nach außen über fast nichts gesprochen. Merkel und ihre Vertrauten haben zwar fleißig gearbeitet, leider jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Gestern erläuterte die Bundeskanzlerin endlich den Vertrag ausführlich und durchaus nachvollziehbar. Eine dreiviertel Stunde lang legte sie dar, was im Ringen mit der SPD herauszuholen war - und was nicht. Das hätte sich die Volkspartei in den vergangenen Wochen häufiger gewünscht. Dabei leistete Merkel ein Versprechen, das sich gut anhört, aber nur schwer einzuhalten sein wird: Mit diesem Vertrag könnte es eine gute Chance dafür geben, dass es den Menschen 2017 besser geht als heute, sagte sie. Das war hoch gepokert, höher als 2009. Vor vier Jahren lautete die Voraussage, Deutschland werde stärker aus der Krise hervorgehen als es hineingeraten sei. Das Wort wurde gehalten. Aber inzwischen hat dieses Land einen beneidenswerten Export, europaweit eine Rekordbeschäftigung und kaum noch steigerbare Einnahmen erreicht. Das Niveau noch einmal zu übertreffen, dürfte also mehr als schwierig sein. Außerdem: Schon der gesunde Menschenverstand lässt ahnen, dass es in den kommenden Jahren eher zu einer Abschwächung der Zuwächse, möglicherweise sogar zu Rückschlägen kommt. Was dann? Die üppigen Sozialversprechen tun ein übriges. Mindestlohn und steigende statt sinkender Rentenbeiträge kosten mit Sicherheit Jobs. Das mag in Deutschland nicht jeder hören wollen. Ein Blick auf die Wirtschaftsseiten britischer und französischer Zeitungen zeigt, dass dort fest mit wieder vier Millionen und mehr Arbeitslosen in Deutschland gerechnet wird. Zwei Hintertürchen hielten sich die wenig begeisterten Großkoalitionäre von der CDU gestern offen: Der Koalitionsvertrag sei »nicht das letzte Wort« und er sei auch »kein Gesetz«. Wenn es also nicht weh tut, kann man ja zustimmen. Solcherart schicksalsergeben lässt sich der Wahlsieger vom 22. September von sozialdemokratischen Themen in die Große Koalition treiben. Nur gut, dass wenigstens der Wirtschaftsflügel entschlossen ist, in den kommenden vier Jahre soviel ökonomische Vernunft zu retten, wie zu retten ist. Merkel bleibt gelassen. Wenn ihre Gesetze für Mindestlohn, höhere Rentenlasten und Sozialgeschenke nicht alle Stimmen aus der Unionsfraktion bekommen sollten, holt sie die eben bei der SPD. Das tut auch nicht weh.
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