Westfalen-Blatt: zum Thema Zuwanderung in der EU
Bielefeld (ots)
Die Parole ist so platt wie plakativ, und sie soll es auch sein. »Wer betrügt, der fliegt«, posaunt es aus Bayern. Die CSU läuft sich warm - für ihre Klausurtagung in Wildbad Kreuth und für die anstehenden Wahlen. Die Methode: Stimmungsmache gegen Rumänen und Bulgaren, Generalverdacht nicht ausgeschlossen. 2014 wird in Bayerns Kommunen und in Europa gewählt. »Armutsmigration« lautet da das - allein schon grob verkürzende - Stichwort, das Horst Seehofer auf die Tagesordnung gesetzt sehen will. Ein Thema wie gemacht für den CSU-Chef - knüpft es doch ein Band zwischen den Alltagssorgen der Menschen und dem abstrakten Gebilde Europäische Union. Und Seehofers politisch unkorrekter Plan scheint (wieder einmal) aufzugehen. Die SPD empört sich erwartungsgemäß, Migrationsforscher warnen vor (immer gefährlichen) Pauschalisierungen. Aus den Städten und Gemeinden aber sind andere Stimmen zu hören. Tenor: Ja, wir haben da durchaus ernsthafte Probleme. Niemand übernimmt den CSU-Duktus, aber in der Sache gibt es Zustimmung. Populist Seehofer ist wieder in seinem Element. Die zum 1. Januar 2014 nach langen Übergangszeiten greifende Freizügigkeit für Rumänen und Bulgaren genügt der CSU, um sich als Bewahrer bayerischer Interessen zu stilisieren. Als Stimme der Mehrheitsbevölkerung daheim wie gegenüber den Mächten aus dem fernen Europa. Der CSU-Kurs mag durchsichtig sein, man kann ihn sogar für perfide halten. Doch mit Sozialromantik allein wird man der Debatte nicht Herr. Man muss immer wieder erklären, dass Europa uns in großer Zahl gut ausgebildete Fachkräfte beschert, die ihren Beitrag leisten, dass die deutsche Wirtschaft floriert. Deutschland profitiert nicht nur von diesen Zuwanderern, Deutschland benötigt sie sogar händeringend angesichts seiner Demographie. Man muss aber ebenso klar sagen, dass natürlich auch Armutsflüchtlinge einwandern. Das ist in jedem Einzelfall verständlich und aus Sicht der Zuwanderer sogar höchst rational. Die Integration jedoch muss so auf Dauer misslingen. Das Sozialsystem darf nicht der einzige Anreiz sein, nach Deutschland zu kommen. Sonst verlieren auch die Migranten ihre Würde. Für dieses offenkundige Problem eine Lösung zu finden, ist gewiss nicht einfach, aber Aufgabe der Politik. Schließlich sind die Beschlüsse über die Aufnahme weiterer Länder in die EU und die damit verbundene Arbeitnehmerfreizügigkeit ja auch von der Politik gefällt worden. Im Übrigen unter Zutun der CSU, woran man Herrn Seehofer erinnern darf. Und man darf von einer Regierungspartei wie der CSU neben Populismus auch Programmatik erwarten. Konkret: wie es gelingt, wenn nicht gleiche Lebensverhältnisse, so aber doch möglichst gleiche Entwicklungschancen in den EU-Mitgliedsländern herzustellen. Andernfalls verfestigen sich nämlich nicht nur die wirtschaftlichen Unterschiede, sondern auch die sozialen Spannungen in Europa. Und das allem Wahlkampfgetöse zum Trotz.
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