Westfalen-Blatt: das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zu Lanz
Bielefeld (ots)
Zuschauermitbestimmung im Fernsehen beschränkte sich bislang darauf, das »Tor des Monats« zu wählen und seinen Favoriten per Telefon zum Sieg in Castingshows zu verhelfen. Im Zusammenhang mit dem Lieblingsprügelknaben der Fernsehnation, Markus Lanz, hat der Versuch, Einfluss aufs Programm zu nehmen, jetzt eine kuriose Blüte getrieben.
»Lanz muss weg!« Das findet jedenfalls das frühere Parteimitglied der Linken, Maren Müller aus Leipzig, und fordert das ZDF in einer Internetpetition auf, den Moderator zu entlassen. Etwa 100 000 Menschen haben sich dem Begehren angeschlossen. Auslöser der Proteste war die Talkshow »Markus Lanz« am Donnerstag vergangener Woche. Mehrfach fiel der Moderator der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ins Wort, wollte hartnäckig wissen, ob die Partei allen Ernstes die EU für eine neoliberale, militaristische und undemokratische Macht hält. Die Frage war berechtigt, die Gesprächsführung verheerend. »Miserabler Stil« sei das, heißt es in der Petition.
Dennoch mutet die Forderung, das ZDF müsse Lanz feuern, absurd an. Wer sich die Sendung in der Mediathek ohne Schaum vorm Mund noch einmal anschaut, kann keine »Entgleisungen« entdecken, wie in der Petition behauptet wird, sondern höchstens Peinlichkeiten. Vor allem der »Stern«-Journalist Hans-Ulrich Jörges war es, der auf Wagenknecht eindrosch, ihr vorwarf, »verantwortungslosen Stuss« zu reden. Lanz ließ ihn gewähren, was falsch war.
Ende November war Lanz' Kollegin Marietta Slomka heftig dafür kritisiert worden, dass sie sich mit SPD-Chef Sigmar Gabriel im »heute-journal« zoffte. Slomka, Lanz und viele andere Moderatoren stecken in einem Dilemma: Lassen sie Politiker ihre Phrasen absondern, werden sie gerügt, haken sie entschieden nach, wird ihnen der Vorwurf der Unhöflichkeit gemacht. Und was Markus Lanz anbelangt: Er kann sowieso machen, was er will, es ist immer falsch.
Seit er »Wetten, dass. . ?« übernahm, ist er die Lieblingszielscheibe der Fernsehkritiker. Vor allem Sender aus der RTL-Gruppe lassen kein gutes Haar an ihm - aus einem fadenscheinigen Grund: Parallel zu »Wetten, dass. . ?« läuft meist »Deutschland sucht den Superstar«. Und um das eigene Format aufzuwerten, wird die Konkurrenz im ZDF schlecht gemacht.
Damit sollen Lanz' Fehlleistungen wie die Mallorca-Ausgabe nicht schöngeredet werden, aber er kann sehr wohl auch gutes Fernsehen machen. Sonst hätten die Leser der »Hörzu« 2013 »Wetten, dass. . ?« nicht die Goldene Kamera zuerkannt.
Thomas Gottschalks peinliche Kniegrapscher bei attraktiven Frauen und Kulenkampffs sexistische Bemerkungen über seine Assistentinnen, wenn er von Bonbons faselte, die er gern auspacken würde, erzeugten deshalb keinen so großen Wirbel, weil es Facebook und Internet noch nicht gab. Wer sich heute danebenbenimmt, wird umso lauter an der Wand langgezogen oder, wie gerade Lanz, zum Unmenschen eines Senders hochstilisiert.
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