Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Ukraine
Bielefeld (ots)
Die Ukraine brennt und wir sehen fast hilflos zu. Mit Sanktionen gegen Präsident Viktor Janukowitsch und einige Oligarchen hinter ihm will die Europäische Union das Massaker vom Maidan heute beantworten.
26, möglicherweise auch deutlich mehr Menschen sind ums Leben gekommen. Mehr als 1000 wurden verletzt. Wie viele Opfer sollen es noch werden, wenn die Staatsmacht weitere Versuche zur gewaltsamen Räumung des Maidans unternimmt? Seit der Nacht auf Mittwoch ist klar, die Terroristen stehen nicht auf der Straße, obwohl dort auf beiden Seiten scharf geschossen wurde.
Die Radikalisierer sitzen an den Schalthebeln eines Staates, der sein Volk und sein Land ausplündert - korrumpiert von einer mafiösen Wirtschaftsstruktur und gestützt auf die Bajonette noch loyaler Polizeikräfte. Deshalb ist es richtig, bestimmten Führungsmitgliedern Europa-Visa zu verweigern und ihre Vermögen auf deutschen Konten einzufrieren. Mehr geht allerdings nicht, wenn das ukrainische Volk nicht noch stärker benachteiligt werden soll, als es durch die eigene Regierung schon geschieht.
Die Europäische Union ist dabei durchaus Partei und dennoch als Problemlöser zu gebrauchen. Gerhard Schröder macht der EU den Vorwurf, sie habe sich zu früh auf eine Seite gestellt und komme jetzt nicht mehr als Friedensstifter infrage.
Das Gegenteil ist richtig. Das Europäische Parlament ist, anders als viele nationale Gremien, seit langem ein entschiedener Kämpfer für Menschenrechte und gegen undemokratische Umtriebe. Die EU genießt bei vielen Ukrainern, möglicherweise einer Mehrheit in dem zerrissenen Land Vertrauen. Zugleich haben Brüssel und Straßburg das Zeug und die Gesinnung, dem kränkelnden Staat eine Perspektive zu bieten.
Das Problem: Mehr als Nadelstiche gegen die Janukowitsch-Clique haben die Europäer aktuell nicht drauf. Und das ist entschieden zu wenig angesichts der Gewaltorgie von Kiew.
Der selbst für Vertraute nur schwer berechenbare Janukowitsch ist seit seinem radikalen Schwenk im Herbst in Richtung Moskau in der Defensive. Noch zu ruhigeren Zeiten hieß es, viele seiner Reden und Entscheidungen seien schlicht unverständlich. Oft wisse man nicht, was er eigentlich wolle. Jetzt steht der Wüterich mit dem Rücken zur Wand und schlägt nur noch blindlings um sich. Der Mann ist eine tickende Zeitbombe und niemand kann sie entschärfen. Sein letztes Mittel ist die Ausrufung das Ausnahmezustands. Alles deutet daraufhin, dass Janukowitsch das Militär ausrücken lässt.
Krieg gegen das eigene Volk bedeutet das Eingeständnis des eigenen Scheiterns. Aber was heißt das schon für einen, der in einer nicht unbedingt glasklaren Wahl Präsident wurde und dann die Macht per Verfassungsänderung an sich riss? Deutschland weiß, Machtergreifungen dieser Art führen in die Katastrophe.
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