Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur gescheiterten ESM-Klage
Bielefeld (ots)
Die Kläger sind gescheitert. Aber sie haben sich um Europa verdient gemacht. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes über den dauerhaften ESM-Rettungsschirm mag - je nach Standpunkt - entweder als Bestätigung oder als Niederlage gesehen werden. Aus dem europäischen Blickwinkel bringt es eine wohltuende Klärung. Gerade in den Verhandlungen über die Vollendung die Bankenunion, die heute in Brüssel auf der Tagesordnung steht: Denn die Richter haben deutlich gemacht, dass die Bundesrepublik keine europäischen Verpflichtungen eingehen darf, die nicht vom Bundestag gebilligt wurden. Nichts darf die Hoheit der Abgeordneten schmälern. Der ESM wurde rechtlich sauber installiert. Das steht fest. Aber die Versuchung, sich über verfassungsrechtliche Prinzipien hinwegzusetzen, bleibt groß. Niemand darf ihr erliegen - kein Bundesfinanzminister, kein Kanzler, kein Europa-Politiker. Diese Deutlichkeit der Verfassungsrichter muss jeder als wohltuend und richtig empfinden. Seit dem Ausbruch der Krise hat die Euro-Zone mehr Tabus gebrochen, als man je glaubte, den Wählern zumuten zu können. Als die ersten Banken in Schwierigkeiten gerieten und von ohnehin überschuldeten Staaten gestützt werden mussten, gab es noch das strikte Verbot, einem klammen Nachbarn mit Gemeinschaftsmitteln unter die Arme zu greifen. Heute stehen wir kurz vor der Einführung der gemeinsamen Haftung aller für einen in der Bankenunion. In diesen Jahren wurden Hilfspakete geschnürt, Rettungsschirme aufgespannt und - was zeitweise undenkbar schien - der weitaus größere Teil der Schuldensünder auf den Pfad der Tugend zurückgeholt. Die Gemeinschaft hat sich einen dauerhaften Stabilitätsmechanismus gegeben, der die gegenseitige Haftung an hohe Kriterien bindet. Dadurch wuchs die EU zusammen - sie steht heute angesichts neuer außenpolitischer Herausforderungen geschlossener da als vor sechs Jahren. Der ESM hat sich so sehr bewährt, dass er bisher kaum gebraucht wurde. Das Gerede von der eigenen Sanierung mit billigem Geld aus der eigenen Familie war immer Unsinn. Die Angst davor blieb berechtigt. Zu oft hatten Regierungen ihre nationale Eigenständigkeit zum Schuldenmachen ausgenutzt und sich nicht um Disziplinierungsversuche aus Brüssel gekümmert. Der ESM hat nicht bewirkt, dass die Leichtfertigkeit im Umgang mit Steuergeldern auf europäischer Ebene fortgesetzt werden konnte. Im Gegenteil: Schuldenabbau wurde als Tugend wiederentdeckt. Dass das Bundesverfassungsgericht den Umgang mit dem deutschen Anteil strikt an das Votum des Bundestages gebunden hat, kommt da gerade recht. Es macht klar, dass wir uns keineswegs blind an Europa verkauft, sondern tatsächlich das getan haben, was Bundespräsident Joachim Gauck als »Solidarität für Europa« bezeichnet hat.
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