Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Sparen
Bielefeld (ots)
Verkehrte Welt! Da berichten die Medien fast täglich von Krisen, Kriegen und Terroranschlägen. Doch statt zu horten, haben die Deutschen Spaß daran, ihr Geld auszugeben. Sind aus allen braven Bürgern etwa Hedonisten geworden? Gefallen wir uns neuerdings beim frivolen Tanz auf dem Vulkan?
Keine Angst! Der einzelne verhält sich ganz normal. Kapital, das auf dem Sparkonto ruht, verliert an Wert, weil die Verzinsung noch niedriger ist als die Inflation. Also ist es vernünftig, das Geld sofort in die Erfüllung eines Wunsches zu investieren. Zumal alle genau das wollen: der Handel, die Industrie, die Aktionäre, die Politiker, die Europäische Zentralbank. So bleibt das Rad der Konjunktur in Bewegung. Die befürchtete Deflation tritt nicht ein. Wie kurzsichtig! Schließlich kann man auch den Euro nur einmal ausgeben. So lange ist das gar nicht her, da hieß es: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Aufgegeben wurde dieser Grundsatz zuerst von den Staaten. Man müsse doch die Konjunktur fördern, hieß damals schon und später immer wieder das Argument. Nur »vergaßen« die Regierenden und Parlamentarier, die Ausgaben später wieder zurückzuschrauben. Aktuell hat Mario Draghi, der smarte Präsident der Europäischen Zentralbank die Notenpresse beschleunigt, ohne dass dies einen größeren Effekt auf die Konjunktur haben wird.
Diese Freigebigkeit geht auf Kosten der Jugend. Ihr Handlungsspielraum wird durch die Verschuldung selbst dann eingeengt, wenn damit Vernünftiges gebaut oder eingerichtet wird. Das gilt für die Staatsverschuldung genauso wie für Privatkredite. Wer jetzt eine Immobilie erwirbt oder ein Auto kauft, handelt sicher innerhalb der geltenden Rahmenbedingungen vernünftig. Doch was ist, wenn die Immobilie, an sich eine sinnvolle Investition, eine Weile unvermietbar ist oder wenn mit dem gekauften Auto ein Unfall geschieht? Dann kann das Geld in einem Normalhaushalt schnell knapp werden. Das gilt übrigens auch für den Fall, dass die Zinsen irgendwann doch anziehen und staatliche wie private Finanzierungspläne über den Haufen werfen.
Noch vor zehn Jahren warb die damalige Bundesregierung massiv für die private Altersvorsorge. Riesterrente, Privatrente, Betriebsrente, Lebensversicherung: Alles schien aufgrund des demographischen Wandels als Ergänzung zur staatlichen Rente unverzichtbar.
Jetzt aber ist dieses Anliegen ganz aus der Mode gekommen. Die Deutschen, vermutlich immer noch Spar-Weltweltmeister, machen es den anderen nach und haben keine Angst mehr vor dem Leben auf Pump. Die Rechnung wird später ausgestellt. Und sie wird hart ausfallen - für die dann Alten, aber auch für die Jungen, denen die Verpflichtungen für die staatliche Rente im Allgemeinen und für die eigenen Eltern im Besonderen die Luft abschnüren wird. Die Jahre jetzt werden dann im Rückblick als die »goldenen« erscheinen. Genießen wir sie!
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