Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den kommenden Landstagswahlen
Bielefeld (ots)
Winfried Kretschmann ist ein Phänomen. Es war eine Sensation, dass er es vor fünf Jahren als Grüner in das Amt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten schaffte. Nun ist der 67-Jährige auf dem besten Wege, eine noch größere Sensation folgen zu lassen. Wenn am nächsten Sonntag in Sachsen- Anhalt, Rheinland-Pfalz und im Schwabenland gewählt wird, könnten Kretschmanns Grüne zur stärksten Fraktion werden. Das wäre vor allem das Verdienst von Kretschmann persönlich. Fukushima und Stuttgart 21 mögen einst die Initialzündung seines Erfolges gewesen sein, heute zählen andere Dinge. Bester Beweis sind die Ehrenerklärungen, die zwei mittelständische Unternehmer diese Woche für Kretschmanns Grüne abgegeben haben. Der eine mit einer exorbitant hohen Einzelspende von 300 000 Euro, der andere mit klaren Worten. Der Vermögensberater Jochen Wermuth möchte das Konzept einer grünen Marktwirtschaft fortgesetzt sehen. Für ihn liefert Kretschmann den Beweis, dass sich ökologische und ökonomische Interessen sehr wohl vereinen lassen. Der Trigema-Chef Wolfgang Grupp wünscht sich öffentlich und gewohnt lautstark, dass Kretschmann Ministerpräsident einer grün-schwarzen Koalition wird. Warum? Ganz einfach, weil er seine Sache gut mache. Eine größere Ohrfeige kann es für die »Wirtschaftsparteien« CDU und FDP im strebsamen Schwabenland kaum geben. Ein grün-schwarzes Bündnis allerdings hat die CDU ausgeschlossen. Ihr Spitzenkandidat Guido Wolf ist so etwas wie der Anti-Kretschmann und macht im Wahlkampf beinahe durchgängig eine unglückliche Figur. Regelrecht peinlich wirkte sein Auftritt auf dem CDU-Bundesparteitag, als er Angela Merkel einen Wolf als Plüschtier in Lebensgröße schenkte und das Ganze mit dem Satz garnierte, dass Baden- Württemberg »Wolferwartungsland« sei. Eine verstörende Szene - und symptomatisch für den CDU-Spitzenmann, dem seine Kandidatur irgendwie eine Nummer zu groß geworden zu sein scheint. Beim Megathema Flüchtlinge irrlichtert Wolf dauerhaft zwischen Loyalität zu und Kritik an Merkel. In seiner unbeholfenen Art macht er auch hier einen bemerkenswerten Kontrast zu Kretschmann auf, der den Kurs Merkels entschlossen verteidigt und zwischendurch sogar zu Protokoll gab, für die Kanzlerin zu beten. Kretschmann hat die Kanzlerin aber auch mit Taten gestützt: Nur dank seiner Zustimmung im Bundesrat wurde das erste Asylpaket möglich. Nun zeigt er sich für die Ausweisung weiterer sicherer Herkunftsländer offen - sehr zum Ärger vieler Grünen. Weitermachen wird Kretschmann wohl aber nur als Ministerpräsident. So könnte seine Karriere am nächsten Sonntag auch abrupt enden. Ein Grüner, der mit einem Rekordergebnis von um die 30 Prozent den Abgang macht? Passen täte es: Dem Phänomen Kretschmann ist einfach alles zuzutrauen.
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