Westfalen-Blatt: zum Brexit
Bielefeld (ots)
Als Frankreich im vorigen Sommer bei der Neuverschuldung mal wieder die Drei-Prozent-Grenze riss, ließ Jean-Claude Juncker Milde walten. »Weil es Frankreich ist«, begründete der EU-Kommissionspräsident seine Rücksichtnahme. Dass nicht alle derzeit noch 28 EU-Staaten gleich sind und folglich auch nicht nach völlig gleichen Maßstäben behandelt werden können, ist logisch. Es gab und gibt Ausnahmen - besonders für die großen Länder, wenn sie Krisen durchmachen. Für den Austritt Großbritanniens aus der EU gibt es keine Blaupause. Und vor allem: Der Brexit soll keine Blaupause für mögliche Nachahmer werden. Deswegen reagieren die EU-Größen rhetorisch so hart und ganz nach der Devise »Wehret den Anfängen«. Natürlich ist die Sorge berechtigt, dass Frankreich unter einer Präsidentin Marine Le Pen einen ähnlichen Weg einschlagen könnte wie die Briten. Dem will man in Brüssel keinen Vorschub mit weichen Brexit-Verhandlungen leisten. Denn wenn nach dem Vereinigten Königreich auch Frankreich die EU verlassen sollte, wäre das ihr Ende. Schon der Brexit ist eine Zäsur: Eine weitere politische Vertiefung Europas scheint seitdem unrealistisch. Dass Theresa May am Ende der Austrittsverhandlungen in zwei Jahren Oberhaus und Unterhaus über das Ergebnis abstimmen lassen will, sollte man nicht als Hintertür interpretieren. Im Mai 2020 wählen die Briten zum nächsten Mal ihr Parlament. Das heißt: Die Abgeordneten von heute werden 2019 über den Brexit-Deal abstimmen. Die Premierministerin riskiert eine Menge, nicht weniger als den Wohlstand der Briten. Auf eine Freihandelszone, eine Art Ceta zwischen Europa und Großbritannien, wird sich die EU nicht einlassen können. Jedenfalls nicht ohne Überweisungen aus London. Hier muss sich May bewegen, denn der britische Finanzsektor braucht den freien Zugang zum europäischen Markt. Den gibt es nicht umsonst. Das Gerede darüber, wessen Wohlstand der Brexit mehr oder weniger bedroht, ist fahrlässig. Auch Deutschland und die EU würden es spüren, wenn die Briten keinen Zugang mehr zum Binnenmarkt hätten. Warum bei den Verhandlungen Ausnahmen möglich sein müssen? Weil es Großbritannien ist.
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