Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Hungersnot in Afrika
Bielefeld (ots)
Hungersnot ist, wenn jeden Tag mindestens zwei von 10 000 Menschen an Unterernährung sterben. Die internationale Definition ist hart, der tägliche Tod weit grausamer. Im Krisenstaat Südsudan ist fast jeder dritte der zwölf Millionen Einwohner akut unterernährt. Hunderttausende werden es bis zu den kargen Ernten im August kaum noch schaffen. Viele Äcker wurden wegen des Bürgerkriegs gar nicht erst bestellt. Auch in Äthiopien, Eritrea und Kenia steht kaum etwas auf den Feldern, weil das natürliche Klimaphänomen El Nino zwei Regenzeiten gestört hat. Nach sechs Jahren kleiner und größerer Fortschritte mussten die Vereinten Nationen wieder eine große Hungersnot ausrufen. Sofern die Weltgemeinschaft die erforderlichen Milliarden zusammenbekommt, wird die zu leistende Nothilfe eine gigantische Herausforderung für die großen Hilfswerke sein. Selbst World Vision, Welthungerhilfe, Brot für die Welt und Caritas International stoßen an Grenzen, wenn es gilt, Millionen von Verzweifelten zu erreichen. Politisch alarmierend ist das Scheitern der Neugründung des Staates Südsudan. Nach drei Jahrzehnten Krieg zwischen dem islamischen Norden und dem christlichen Süden sollte 2011 endlich Frieden einkehren. Mit großem Tamtam wurde der Neuanfang gefeiert, die Vorschusslorbeeren auch aus Europa waren riesig. Aber schon nach zwei Jahren zerstritt sich die junge Regierung beim Griff nach den Öldollars. Der dezimierte (Rest-)Sudan im Norden, mit dem Völkermörder Ahmad al-Baschir an der Spitze, hintertrieb seinerseits das weltweit mit Spannung verfolgte Projekt nach Kräften. Spätestens mit der Ausrufung der großen Hungersnot 2017 ist klar, das Projekt Südsudan ist gescheitert. Alle internationale Beratung, handfeste Hilfe ausländischer Fachleute in der neuen Hauptstadt Juba und jede noch so gut gemeinte Finanzspritze war vergebens. Die afrikanische Misere hält an - zumindest in diesem Teil des schwarzen Kontinents. Es gibt kein Rezept für die Rettung gescheiterter Staaten von außen. Nicht einmal der klassische Leitsatz »teile und herrsche« hilft weiter. Die Teilung entlang religiöser Grenzen führt zu neuen Trennungen entlang ethnischer Linien. Und die Aufspaltung von Herrschaft resultiert nur in den seltensten Fällen in einem neuen, stabilen Gleichgewicht der Macht. Mindestens drei Millionen Menschen sind im Südsudan auf der Flucht. Sie müssen ertragen, was ihnen ihre eigenen gewählten Chiefs und Kriegsherren eingebrockt haben. Und die Weltgemeinschaft wird wieder helfen, so gut sie kann. Was bleibt, ist Zynismus. Denn niemand hierzulande muss eine neue Fluchtwelle - sagen wir - in Bayern befürchten. Denn dafür sind die Südsudanesen viel zu schwach und Schlepper können sie schon mal gar nicht bezahlen.
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