Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Frank-Walter Steinmeier
Bielefeld (ots)
Auch Frank-Walter Steinmeier hat gute Redenschreiber. Es waren zwar nicht gerade weltbewegende Worte, die nun in die Geschichte eingehen werden. Aber das war bei seinem Amtsantritt auch nicht zu erwarten. Frank-Walter Steinmeier ist vielmehr auf die wesentlichen Themen eingegangen, die die Menschen in Deutschland bewegen. Ja, und er hat auch Kritisches angesprochen. Aber: Wirklich Neues oder Überraschendes war nicht dabei. Bei der Vereidigung ist nochmals deutlich geworden: Wir haben einen neuen Typus von Bundespräsidenten. Frank-Walter Steinmeier ist eben nicht Joachim Gauck und ganz gewiss nicht mit einem Norbert Lammert zu vergleichen, den viele gerne an seiner Stelle gesehen hätten.
Joachim Gaucks Nachfolger hat ein Plädoyer für die gelebte Demokratie gehalten, die Menschen in Deutschland aufgefordert, mit lebenszugewandtem Mut für die Demokratie zu streiten und gegen die Faszination des Autoritären zu kämpfen. In seiner Rede durfte das Bekenntnis zu Europa genauso wenig fehlen, wie der wichtige Hinweis auf 70 Jahre Frieden in unserem Land.
Applaus und Zustimmung bekommt Steinmeier sicher auch dafür, dass er den türkischen Präsidenten Erdogan zur Mäßigung aufgerufen und die Freilassung des inhaftierten Journalisten Deniz Yücel gefordert hat. Ihn deshalb aber bereits als einen guten Bundespräsidenten zu bezeichnen, wäre doch arg übertrieben. Zumal Steinmeier keine Rede hätte halten dürfen, in der er nicht ausdrücklich kritisch zu Erdogan Stellung bezieht. Hätte er sich nicht zur Türkei geäußert, wäre es ein Fehlstart gewesen. Auf Trump, den Steinmeier zuletzt als Hass-Prediger bezeichnet hatte, ging er übrigens nicht ein. Steinmeier hat zwar in gewisser Weise Recht, aber diplomatisch geschickt war dieser Vergleich natürlich nicht.
Der Neue im Schloss Bellevue geht politischer an das Amt heran. Das muss nicht unbedingt schlecht sein. Dennoch fällt es schwer, den Vollblutpolitiker Steinmeier als Bundespräsident wahrzunehmen. Seine Antrittsrede war inhaltlich gut, aber von der Art und Weise erinnerte sie stark an eine reine politische Rede im Bundestag.
Ganz anders Gauck. Der Pastor ohne Parteibuch hat nicht nur rhetorisches Talent, sondern auch das Pathos, das ihn als Präsident besonders gemacht hat. Mit Demut stand er wie kein anderer für sein Thema Freiheit, zeigte Charisma und Menschlichkeit.
Frank-Walter Steinmeier wird zwar auch als warmherzig beschrieben. Der Lipper kann es aber zu wenig rüberbringen. Er tritt in große Fußstapfen. Gauck zu kopieren, wäre falsch. Frank-Walter Steinmeier muss seinen eigenen Weg finden. Er ist gewiss ein beliebter Politiker gewesen. Ob er allerdings ein guter Bundespräsident wird, wird die Zukunft zeigen.
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