Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Frankreich-Wahl
Bielefeld (ots)
Die wichtigste Wahl dieses Jahres findet nicht in Deutschland, sondern in Frankreich statt. Und das unter denkbar schlechten Vorbedingungen: Das jüngste Attentat auf dem Champs-Élysées prägt die Stimmung, wenn es an diesem Sonntag an die Urnen geht. Wird die Mörderbande IS zum Zünglein an der Waage? Eine beklemmende Vorstellung. Die Grande Nation ist ein durch und durch problembeladenes Land: Zum nicht enden wollenden Terror kommen die hohe Arbeitslosigkeit, ein beispielloses Elitenversagen und der groteske Reformstau. Mag das deutsche Duell zwischen CDU-Amtsinhaberin Angela Merkel und SPD-Herausforderer Martin Schulz im Herbst ein Kampf ums Kanzleramt werden, so tobt in Frankreich eine Schlacht um das Präsidentenamt. Eine Schlammschlacht. Nach einem an Skandalen reichen Wahlkampf werden vier Kandidaten Chancen auf den Einzug in die Stichwahl eingeräumt. Hierzulande aber dominiert nur ein Wunsch: »Bloß nicht Marine Le Pen« lautet das kollektive Flehen mit Blick auf unsere Nachbarn. Die Sorge ist berechtigt. Marine Le Pen und der Front National gelten nicht nur als das Schreckgespenst dieser Wahl - sie sind es. Sollte die Rechtspopulistin den Sprung in die Stichwahl schaffen (was nicht unwahrscheinlich ist), muss auch ihr Sieg am 7. Mai als realistische Option betrachtet werden. Trump und der Brexit lassen grüßen. Unter einer Staatspräsidentin Le Pen aber wäre das Ende der ohnehin dramatisch geschwächten EU nahe. Doch damit nicht genug: Mit dem Linksradikalen Jean-Luc Mélenchon könnte es noch ein strikter Anti-Europäer in die Stichwahl schaffen. Le Pen gegen Mélenchon - das dürfte die absolute Horrorvision für den zweiten Wahlgang sein. Was dabei leicht vergessen wird: Auch mit dem favorisierten Sozialliberalen Emmanuel Macron oder dem republikanischen Stehauf-Männchen François Fillon stehen Frankreich und die deutsch-französischen Beziehungen vor einer Zeitenwende. Zwar sind beide pro-europäisch und lassen damit zumindest grundsätzlich auf einen Neustart der EU hoffen. Gleichwohl sollte man sich darauf einstellen, dass der nächste Hausherr im Élysée-Palast weitaus fordernder und selbstbewusster auftritt - egal, wie er auch immer heißen mag. Einen so schwachen Präsidenten wie François Hollande wird es nicht wieder geben. Schon allein deshalb, weil das Gewicht der Franzosen in einer EU ohne Großbritannien stark wachsen wird. Als Speerspitze der Südeuropäer wird sich der nächste Präsident sicher nicht scheuen, die Verteilungsfrage neu zu stellen- samt einer Vergemeinschaftung der Schulden. Bei der Wahl in Frankreich geht es um sehr viel - nicht nur für das Land und seine Menschen selbst. In Paris wird dieser Tage auch über die Zukunft Europas entschieden.
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