Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Wahljahr 2017
Bielefeld (ots)
Nun steht die SPD wieder ziemlich genau da, wo sie vor der Nominierung von Martin Schulz stand, während CDU und FDP mit Erfolgen fertig werden müssen, mit denen sie selbst im Traum nicht gerechnet haben. Was wir nach den drei Landtagswahlen des Superwahljahres 2017 wissen: 1.) Das Thema »Soziale Gerechtigkeit« reicht nicht für einen Wahlsieg. Dafür geht es der Mehrheit der Menschen im Land schlicht zu gut. Es geht vielmehr um die Frage, wie wir die Zukunft sicher gestalten können. Erst recht angesichts der Unsicherheiten um uns herum - in Europa und weltweit. 2.) Die SPD hat ihren Spitzenmann selbst ins Abseits gestellt. Ohne Mandat und ohne Ministeramt wirkt Schulz fast wie ein Zuschauer. Das ist eine schwere Bürde. Angela Merkel hingegen regiert und produziert die besten Wahlkampfbilder sozusagen nebenbei. 3.) Die SPD muss ihr Verhältnis zur Linken klären. Wenn Schulz auf die rechnerische rot-rot-grüne Mehrheit setzt, die es schon jetzt im Bundestag gibt, muss er das beherzt sagen. Wenn nicht, muss das ebenso klar sein. Momentan weiß keiner, woran er bei der SPD ist. 4.) Annegret Kramp-Karrenbauer, Daniel Günther und Armin Laschet haben mit Angela Merkel gewonnen, nicht gegen sie. Die Wahlforscher bestätigen: Im Saarland wie in Schleswig-Holstein und in NRW haben viele Wähler nur wegen der Kanzlerin ihr Kreuz bei der CDU gemacht. Merkel zieht doch noch - oder besser: wieder. Auch im Direktvergleich hängt sie Schulz deutlich ab. 5.) Während die Grünen planlos wirken, hat es Christian Lindner weit gebracht mit der Wiederbelebung der FDP. Allerdings steigt das Risiko. Die unerwartete Machtoption in NRW hat seine Strategie durchkreuzt, bis zum 24. September »Opposition pur« zu betreiben. Lindner ist zum Gestalten gezwungen. Denn wie ließ er im Wahlkampf plakatieren: »Nichtstun ist Machtmissbrauch.« 6.) Schwarz-Gelb ist wieder ein Koalitionsmodell. Wenn, ja wenn Laschet und Lindner es hinbekommen. Beide haben viel versprochen in NRW. Mal sehen, was sie zu liefern imstande sind. Mit Blick auf ein neuerliches Bündnis im Bund wiegt das Erbe schwer: Die gegenseitigen Beleidigungen »Wildsäue« und »Gurkentruppe« bleiben unvergessen. 7.) Die AfD etabliert sich als sechste politische Kraft. In 13 von 16 Landtagen ist sie nun vertreten. Eine Selbstzerstörung der Partei erscheint immer noch nicht ausgeschlossen. Wahrscheinlicher aber ist, dass der AfD der Einzug in den nächsten Bundestag gelingt. 8.) Für ein mögliches Sechs-Parteien-Parlament besonders wichtig: Die CDU/CSU hat die meisten Koalitionsoptionen. Mit SPD, FDP und Grünen gibt es drei potentielle Partner - mit Großer Koalition, Schwarz-Gelb, Schwarz-Grün und Jamaika vier realistische Koalitionsmodelle. Eine Vielfalt, von der die SPD nur träumen kann.
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