Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Kuba
Bielefeld (ots)
Jetzt hat auch Kuba seinen Egon Krenz. Ähnlich wie in der DDR-Endphase sind die Altrevolutionäre an ihr biologisches Ende gelangt. Mit Miguel Díaz-Canel tritt ein ehemaliger Jugendführer und bedingungsloser Kadermann an die Spitze. Der Übergang ist riskant. Dennoch gibt es keinen Besseren als den 57-jährigen Parteichef aus der Provinz Villa Clara. Dort steht das große Mausoleum für Che Guevara. Dort werden die Heldenszenen des Gründungsmythos verortet. Der neue Mann an der Spitze hat zwar nicht mehr mitgekämpft, aber er ist niemals angeeckt und war jahrzehntelang Lordsiegelbewahrer der Insignien karibischer Revolution. Das ist den Apparatschiks wichtiger als eine anständige Wirtschaftspolitik und Orientierung an den tatsächlichen Bedürfnissen des Volkes.
Ein System, das nach 60 Jahren immer noch Eier und Milch gegen Bezugsscheine ausgibt, hat versagt. Wer seine Bürger mit einem Grundlohn in Höhe von 30 Dollar abspeist, kommt wie Nordkoreas Kim Jong Un nicht ohne Hassgegner, politische Prozesse und Zensur aus. Auch Kubas dritter sozialistischer Präsident ist nicht demokratisch legitimiert. Gestern hat das Ein-Parteien-Parlament Díaz-Canel zum neuen Staatschef bestimmt, aber vorerst noch nicht zum Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Kubas erhoben. Der Schritt wird folgen, wenn Raul Castro die letzte Kraft zum Klammen an den Zügeln der Macht verlässt.
Fidel Castro war 1959 noch auf einer Welle breiter Zustimmung ins Amt gespült worden. Und ja, Castro wäre wohl in den 1960er, vielleicht auch in den 1970er Jahren als Sieger aus freien Wahlen hervorgegangen. Spätestens seit dem Rumoren im Ostblock, das 1980 in Danzig begann, hatte die Masse der Kubaner die DDR-ähnlichen Verhältnisse gründlich satt. Damals begann die große Flucht übers Meer. Heute kann sich jeder, allerdings nur mit Devisen, freikaufen. Das Tor zu einem Ausgleich mit den USA stand unter Barack Obama durchaus offen. Raul Castro hat den Schritt über die Schwelle verweigert. Mit Donald Trump ist die Tür jetzt wieder verriegelt - und zwar von beiden Seiten. Diaz-Canel kann nicht anders, als den Kurs seiner Vorgänger fortzusetzen. Das heißt: Stillstand, bloß keine Experimente und immer noch keine echten Bürgerrechte für elf Millionen in Armut gehaltene Insulaner.
Kurzum: Die Politik des Hinhaltens wird wohl weitergehen. Unvorstellbar ist, dass Kuba vielleicht dem chinesischen Vorbild folgt und einen knallroten Kapitalismus unter der Kontrolle der KP einführt. Echte Fortschritte sind nur mit einer Führung aus freien und geheimen Wahlen zu erreichen. Damit genau das nicht passiert, hat sich die kubanische Führung gerade verjüngt.
Und was wollen die Kubaner? Wer weiß - niemand hat sie seit der Revolution gefragt.
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