Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Großen Koalition
Bielefeld (ots)
Wie lange hält die Große Koalition in Berlin noch? Eine Woche vor der wichtigen Landtagswahl in Hessen ist das die Frage aller Fragen. Die Antwort lautet: So lange, bis die SPD sie verlässt - oder sie verlassen muss, weil der Druck aus den eigenen Reihen zu groß wird. Die SPD steht vor der Existenzfrage: weiter so in der Koalition mit der Union oder politischer Selbstmord aus Angst vor dem Tod? Erst das einstellige Ergebnis in Bayern, bundesweit Umfragewerte um die 15 Prozent und nun Absturzgefahr in Hessen. Die einstige Volkspartei befindet sich in einer schlimmen Situation. Da darf man sich fragen, wie Andrea Nahles die nächste drohende Niederlage in einer Woche den noch verbleibenden Wählern und ihrer eigenen Partei erklären will. Der SPD-Vorsitzenden ist das nach der Bayern-Wahl schon nicht gut gelungen. Die Floskel, zur Sachpolitik zurückkehren zu müssen, haben die Genossen und Wähler schon so oft gehört. Das wird nicht reichen. Die Situation ist nicht bescheiden, sie ist verheerend. Verlässt die SPD die Große Koalition und setzt personell auf einen Neuanfang - dafür müsste allerdings nicht nur Nahles, sondern unbedingt auch Olaf Scholz weg -, bräuchte sie bei einer Neuwahl eigentlich gar nicht anzutreten. Denn die SPD will ja schon seit Martin Schulz nicht mehr regieren, sie bettelt geradezu darum, in die Opposition zu gehen. Eine grundsätzliche Neuausrichtung - personell wie inhaltlich - ist zudem nicht auf Knopfdruck zu haben, ganz gleich, ob der neue Mann an der Spitze Kevin Kühnert oder der Papst von China ist. Bleibt die SPD in der Großen Koalition, dürfte die Revolte vom linken Flügel nach einer Pleite in Hessen nicht lange auf sich warten lassen. Bis zur Wahl haben sich die Sozialdemokraten eine Friedenspflicht auferlegt, doch danach könnte es zur Sache gehen - mit allen dramatischen Folgen und personellen Konsequenzen. Und die CDU? Wenn Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sein Amt verlieren sollte, wird das nicht ohne Folgen für die Bundeskanzlerin bleiben. Angela Merkel würde abermals geschwächt. Der Druck auf sie wird wenige Wochen vor dem Bundesparteitag der CDU am 7. und 8. Dezember in Hamburg weiter steigen. Aber Merkel wird die Große Koalition niemals platzen lassen. Das würde ihr politisches Ende bedeuten und Deutschland international erneut unregierbar erscheinen lassen. Eher gibt sie den Parteivorsitz ab und schickt ihre Vertraute Annegret Kramp-Karrenbauer noch ins Rennen. Das alles wird die Große Koalition aber nicht mehr retten, weil sie vor lauter Unbeliebtheit nicht mehr zu retten ist. Die Uhr tickt für die GroKo. Nach der Hessen-Wahl am Sonntag in einer Woche wissen wir vielleicht etwas besser, wie lange noch.
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