Westfalen-Blatt: ein Kommentar zu den Grünen und der FDP
Bielefeld (ots)
Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898) sagte einmal: »Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.« Bismarck musste es ja wissen. Wer seit Sonntagabend die Interpretationen der Wahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg hört, der könnte zu dem Schluss kommen, dass auch nach Wahlen nicht unbedingt die reine Wahrheit verbreitet wird. Allen voran Grüne und FDP, die sich mehr Prozentpunkte erhofft hatten, erklären ihre Resultate mit einer Art Leihstimmen-Phänomen. Die Geschichte geht so: Potenzielle Wähler der Grünen und der FDP hätten ihre Stimmen in Brandenburg der SPD und in Sachsen der CDU gegeben, damit die AfD in diesen beiden Bundesländern nicht die stärkste Partei werden kann. Grünen-Chef Robert Habeck hat dieses wenig glaubhafte Narrativ gestern noch einmal verstärkt mit den Worten: »Es ist ein taktisches Wahlverhalten, aber es ist völlig legitim. Und wer weiß, wie ich abgestimmt hätte dann in der Situation.« Auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner verstieg sich zu der These, dass die Wähler taktisch abgestimmt hätten. Die Erklärungen der beiden Parteichefs klingen wie die Ausreden zweier Enttäuschter. Die FDP ist enttäuscht, weil sie ihre Ergebnisse in Brandenburg und Sachsen zum Teil erheblich steigern, aber trotzdem nicht in die Landtage einziehen konnte. Und die im Osten ebenfalls erstarkten Grünen haben wohl zu sehr den Umfragen geglaubt, die ihnen zum Beispiel in Brandenburg zwei Wochen vor dem Wahltermin noch 17 Prozent prognostizierten. Am Ende sind es knapp elf Prozent und immerhin 8,6 in Sachsen geworden. Beides könnte die Grünen zum Mehrheitsbeschaffer machen und in die Landesregierungen führen. Auch die Meinungsforscher zählen zu den Verlierern der Wahlen. Mal wieder. Demoskopie ist eben keine Wissenschaft, sondern nur eine Methode, die in Zeiten wie diesen immer mehr Züge von Voodoo annimmt. Wenn Umfrageinstitute davon ausgehen müssen, dass ein signifikanter Teil der befragten Personen keine aufrichtigen Angaben zum Wahlverhalten macht, und die Abweichquote bei drei Prozentpunkten liegt, sind die Ergebnisse nicht mehr viel wert.
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