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Oliver Wyman

Globale Automobilindustrie bleibt langfristig Wachstumsmarkt
"State of the Automotive Industry 2013" von Oliver Wyman

München (ots)

   - Internationalisierung hat für OEMs weiterhin Toppriorität als 
     Ausgleich für langfristig schwache EU-Märkte
   - Komplexitätsreduzierung, Produktivitätssteigerung und 
     Neuaufstellung im Vertrieb senken nachhaltig Kosten
   - Klare strategische Ausrichtung und schnelle Adressierung aller 
     Herausforderungen eröffnen weitreichende Chancen

Die weltweite Automobilindustrie verändert sich nachhaltig und wird dies auch in den kommenden Jahren tun. Internationalisierung, Kostendruck, Zyklizität und die Verschiebung des klassischen Autogeschäfts in Richtung intelligenter Serviceangebote durch neue Mobilitätstrends bringen alle OEMs in Zugzwang. Es gilt, Marktpotenziale konsequent zu erschließen, Kosten zu senken, flexibler auf konjunkturelle Schwankungen zu reagieren und die Schnittstelle zum Kunden langfristig abzusichern. Zugleich droht ein Nachlassen des Wirtschaftsbooms in China. Dennoch zögern viele Autobauer, ihre Geschäftsmodelle konsequent anzupassen. Sie haben eine Reihe von Hausaufgaben zu erledigen, um für die Zukunft optimal aufgestellt zu sein. Dies sind Ergebnisse der Oliver Wyman-Untersuchung "State of the Automotive Industry 2013".

Die Automobilindustrie ist zunehmend gespalten. Während global aufgestellte Volumenhersteller wie GM und Toyota und die deutschen Autobauer in Rekordzeit aus der Krise gefahren sind, stecken regionale Marken wie Opel, Fiat und die französischen Hersteller in teilweise existenzbedrohenden Schwierigkeiten. Bei diesen Unternehmen beeinträchtigt die schlechte Auslastungssituation der Werke die aktuelle Ertragslage, was nicht zuletzt den finanziellen Gestaltungsspielraum einschränkt, der zur Investition in neue Produkte, Technologien und Geschäftsmodelle nötig ist. Die positive Entwicklung bei den erfolgreichen OEMs wiederum hängt stark mit dem Automobilhoch in China zusammen. So verkaufte beispielsweise der Volkswagen-Konzern im ersten Halbjahr 2013 knapp 35 Prozent aller neuen Fahrzeuge auf dem chinesischen Markt. Ein Ende des Booms scheint allerdings absehbar. So senkte das IWF seine Prognose für das Wirtschaftswachstum in China 2013 jüngst auf unter acht Prozent.

Gleichzeitig steht die gesamte Autobranche vor enormen Herausforderungen. Immer strengere Umweltgesetze sowie höhere Sicherheitsanforderungen treiben die Produktkosten in die Höhe, ohne dass der Kunde bereit ist, für sein Fahrzeug mehr zu bezahlen. Überkapazitäten führen zu einem teilweise ruinösen Preiswettbewerb in vielen Märkten und stark rückläufigen Margen. Gleichzeitig entstehen neue Geschäftsfelder wie alternative Mobilitätsangebote und vernetzte Fahrzeuge, in denen sich die Automobilindustrie mit völlig neuen Wettbewerbern wie Google oder Apple auseinandersetzen muss. Darüber hinaus wird in Zukunft der Onlineverkauf von Neufahrzeugen den Vertrieb der Hersteller vor große Herausforderungen stellen. "Noch mangelt es vielen OEMs an der nötigen Konsequenz, ihre Geschäftsmodelle an die veränderten Bedingungen eines immer reifer werdenden Markts anzupassen", erklärt August Joas, Partner bei Oliver Wyman und Leiter der globalen Automotive Practice. "Die Unternehmen müssen die kommenden zwei bis drei Jahre intensiv nutzen, um sich für die Zukunft optimal aufzustellen."

Weitere Internationalisierung ist Pflicht

Die europäischen Kernmärkte verlieren als Absatzregion immer weiter an Bedeutung. Im ersten Halbjahr 2013 wurden in der EU nur noch 6,2 Millionen Autos abgesetzt, ein Rückgang von nochmals fast sieben Prozent gegenüber der schwachen ersten Jahreshälfte 2012. Westeuropa verzeichnete damit die niedrigsten Absatzzahlen seit 1993. Allerdings entwickeln sich die Märkte stark unterschiedlich. Großbritannien erreichte im ersten Halbjahr 2013 ein Plus von zehn Prozent, in Italien und Spanien kam es zu einem Rückgang von zehn beziehungsweise elf Prozent. In Deutschland lagen die Verkaufszahlen mehr als acht Prozent unter dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Das Wachstum kommt aus Übersee: Neben China mit fast 20 Prozent mehr verkauften Autos im ersten Halbjahr kann auch Nordamerika höhere Absatzzahlen vorweisen. Dort belief sich das Plus in den ersten sechs Monaten auf 7,5 Prozent; für das Gesamtjahr wird mit 18,2 Millionen Fahrzeugen ein Sechsjahreshoch erwartet.

Für Autobauer, die an den Wachstumsmärkten partizipieren möchten, ist eine Internationalisierung des Geschäfts mit lokalen Produktionskapazitäten unerlässlich. Zölle, Local-Content-Anforderungen und andere Handelsbarrieren erschweren den Export aus Europa zunehmend. "Internationalisierung muss eindeutig auch weiterhin Toppriorität aller Automobilhersteller sein", betont Fabian Brandt, Partner und Automobilexperte bei Oliver Wyman. "China spielt dabei eine zentrale Rolle. Allerdings besteht die Gefahr, dass der anhaltende China-Hype die Wachstumschancen in anderen Regionen überdeckt." Die Expansion ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Die Autohersteller müssen dafür sorgen, dass ihre Marke in der jeweiligen Region optimal positioniert und die Netzinfrastruktur tragfähig ist. Darüber hinaus müssen fast alle OEMs an der Steigerung der Rendite pro Fahrzeug arbeiten, die oftmals deutlich geringer ist als in den traditionellen Märkten.

Marktpotenziale konsequent erschließen

Angesichts rückläufiger Absatzzahlen in vielen Märkten und sinkender Preise bietet die starke Fokussierung der Autohersteller auf das Neufahrzeuggeschäft vielfach nicht mehr ausreichende Wachstumsmöglichkeiten. Allerdings macht dieses Geschäft nur etwa 50 Prozent der Gesamtinvestition aus, die ein Kunde für automobile Mobilität tätigt - Benzinkosten dabei nicht eingerechnet. Die andere Hälfte umfasst Finanzierungs- und Versicherungsangebote, Wartungs-/Reparaturgeschäft und Zubehör sowie den Gebrauchtwagenhandel. Hier nutzen viele OEMs die bestehenden Potenziale bisher nur unzureichend. So sind beispielsweise lediglich rund 55 Prozent des europäischen Werkstattgeschäfts in der Hand der Autobauer, beim Gebrauchtwagenhandel sind es sogar weniger als 50 Prozent. "Die Autoindustrie kann es sich künftig nicht mehr leisten, die Hälfte des Kuchens anderen zu überlassen", betont Brandt. " Die Potenziale jedes Kunden entlang der gesamten Wertschöpfungskette müssen besser genutzt werden." Die Chancen dafür stehen gut. Mit starken Marken, überzeugenden Produkten und einer flächendeckenden Vertriebsorganisation haben die Autobauer alle Trümpfe in der Hand.

Kosten senken und Flexibilität erhöhen

Neben der Erschließung von Wachstumsfeldern haben Autobauer größten Handlungsbedarf in puncto nachhaltiger Kostensenkung. Während die OEMs bei den Einkaufskosten gemessen an anderen Branchen die Nase klar vorn haben, sind in anderen Unternehmensbereichen noch zahlreiche Hausaufgaben zu erledigen. So müssen beispielsweise Entwicklung und Produktion gemeinsam daran arbeiten, die ausufernde Produktkomplexität in den Griff zu bekommen. Diese führt heute zu immer geringeren Produktivitätsgewinnen und konnte bisher nur bei wenigen Herstellern durch effektive Modulstrategien gelöst werden.

Die größten Möglichkeiten zur Optimierung aber bietet der Vertrieb, wo noch immer viele Einsparpotenziale ungenutzt bleiben. Der Oliver Wyman-Untersuchung zufolge lassen sich mindestens 20 Prozent der Vertriebskosten durch Prozessverbesserungen reduzieren. Angesichts der Verschiebung bei der Kundennachfrage ist dies zwingend notwendig. Sinkt durch Downsizing und Low-Cost-PKWs der Umsatz pro Fahrzeug weiter, müssen auch die Vertriebskosten entsprechend reduziert werden. Gleichzeitig gilt es, die Profitabilität der Vertriebsnetze zu verbessern, denn nicht nur in der Krise ist die Ertragskraft vieler Händler und ganzer Märkte zu niedrig.

Darüber hinaus muss die Automobilindustrie strukturell auf die Veränderung ihres Geschäfts reagieren. Dies betrifft vor allem die Werke in den westeuropäischen Kernmärkten. Bleibt hier die Nachfrage nach Autos dauerhaft unter dem Niveau früherer Jahre, wovon viele Experten derzeit ausgehen, gilt es die Produktionskapazitäten anzupassen. Ansonsten droht eine Situation permanenten "Blechdrucks" - und in der Folge eine dauerhafte, ruinöse Rabattschlacht. Die ersten Hersteller haben bereits reagiert. Ford, PSA und GM wollen ihre Produktionskapazitäten bis 2016 um rund 700.000 Einheiten pro Jahr zurückfahren. Dadurch steigt zwar die durchschnittlich prognostizierte Auslastung über die Profitabilitätsschwelle von 75 Prozent, doch im Markt verbleibt eine Überkapazität von fast vier Millionen Einheiten. Vor diesem Hintergrund ist ein weiterer Rückgang der Verkaufsprognosen nicht auszuschließen.

Insbesondere aber müssen die Autobauer insgesamt resistenter gegen zyklische Konjunkturschwankungen werden. In der aktuellen Krise zeigt sich die geringe Flexibilität vieler Unternehmen, auf einen Nachfragerückgang mit schnellen Kapazitätsanpassungen reagieren zu können. Ausgehend davon, dass Krisen derartigen Ausmaßes in Zukunft häufiger vorkommen werden, benötigen alle OEMs bei der Gestaltung ihrer Kostenstrukturen mehr Flexibilität, um für den nächsten Abschwung gewappnet zu sein. Dazu gehören flexiblere Produktions- und Personalmodelle, der intensivere Einsatz temporärer Arbeitskräfte sowie der Ausbau von Auftragsfertigungsmodellen.

Schnittstelle zum Kunden langfristig absichern

Die Automobilhersteller stehen bereits heute im intensiven Wettbewerb mit Intermediären wie Leasinganbieter und Vermietungsgesellschaften. Dazu kommen neue Mobilitätsangebote wie Carsharing oder der Trend hin zum vernetzten Fahrzeug, die die Automobilindustrie zukünftig erheblich verändern werden. Die OEMs, die sich in der Vergangenheit primär über ihre Entwicklungs- und Produktionskompetenz definiert haben, tun sich derzeit mit ihrer neuen Rolle als Serviceanbieter schwer - und damit auch als Wettbewerber von Google, Apple & Co. So sind gebündelte Lösungsangebote bisher vielfach nur in Ansätzen erkennbar und entsprechende Geschäftsmodelle oft noch nicht klar definiert. Zudem erfolgt der Eintritt in den Markt vielfach zu zaghaft und zu langsam, um in diesen Zukunftssegmenten dominieren zu können.

Die Automobilindustrie läuft damit Gefahr, mittelfristig die wichtige Schnittstelle zum Kunden an Dienstleistungsunternehmen zu verlieren, die sich mit intelligenten Angeboten zwischen Kunde und OEM schieben. Um die Kundenhoheit zu behalten, müssen die Hersteller gezielte Kooperationen mit Medien-, Telekommunikations- und IT-Unternehmen eingehen. Diese sind so zu gestalten, dass sie die OEMs auf ihrem Weg in Richtung Servicedienstleister unterstützen, ihnen aber gleichzeitig ermöglichen, auch in Zukunft Herr der Kundenschnittstelle zu sein. In erster Linie aber verlangt dieser Trend vielen Automobilherstellern eine konsequente Neuorientierung ab: weg vom heutigen Fokus auf Technik und Produktion sowie hin zum Kunden und höherwertigen Dienstleistungen. Unverzichtbar sind neue Businessmodelle, die für mehr Differenzierung im Wettbewerb sorgen und neue, gewinnträchtige Geschäftsfelder erschließen.

Hausaufgaben machen

Internationalisierung, Kostendruck, Zyklizität und die Verschiebung des klassischen Autogeschäfts in Richtung neuer Serviceangebote werden sich fortsetzen. In der Folge werden auch in Zukunft die echten Global Player sowie die fokussierten Premiumanbieter bei Wachstum und Ertragskraft die Nase vorn haben. Für die eher mittelgroßen und nur regional aufgestellten Anbieter wird der Konsolidierungsdruck dagegen immer stärker. Weitere Übernahmen auf dem Automarkt sind daher absehbar. Hinzu kommt: Sollte China als Wachstumsmotor ausfallen, können die restlichen BRIC-Staaten und auch Zukunftsregionen wie die Next-Eleven-Märkte den Rückgang nicht voll kompensieren. Gleichzeitig wird es für kleinere Hersteller schwer, die vielen Herausforderungen finanziell und kapazitätsmäßig zu stemmen, die Internationalisierung, Technik- und Produktoffensiven sowie eine Optimierung des Geschäftsmodells mit sich bringen.

Wichtigste Aufgabe der Hersteller ist daher, sich strategisch klar und fokussiert auszurichten, und sich allen Herausforderungen jetzt konsequent zu stellen, um für die kommenden Veränderungen des Markts gewappnet zu sein. Wer schnell seine Hausaufgaben macht, hat auch künftig große Chancen. "Die Nachfrage nach individueller Mobilität wird in vielen Weltregionen weiter steigen", ist sich Joas sicher. "Deshalb bleibt die Automobilindustrie langfristig ein Wachstumsmarkt."

ÜBER OLIVER WYMAN

Oliver Wyman ist eine international führende Managementberatung mit weltweit 3.000 Mitarbeitern in mehr als 50 Büros in 25 Ländern. Das Unternehmen verbindet ausgeprägte Branchenspezialisierung mit hoher Methodenkompetenz bei Strategieentwicklung, Prozessdesign, Risikomanagement und Organisationsberatung. Gemeinsam mit Kunden entwirft und realisiert Oliver Wyman nachhaltige Wachstumsstrategien. Wir unterstützen Unternehmen dabei, ihre Geschäftsmodelle, Prozesse, IT, Risikostrukturen und Organisationen zu verbessern, Abläufe zu beschleunigen und Marktchancen optimal zu nutzen. Oliver Wyman ist eine hundertprozentige Tochter von Marsh & McLennan Companies (NYSE: MMC). Weitere Informationen finden Sie unter www.oliverwyman.de. Folgen Sie Oliver Wyman auf Twitter @OliverWyman.

Pressekontakt:

Maike Wiehmeier
+49 89 939 49 464
maike.wiehmeier@oliverwyman.com

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