DEKRA Crashtest mit nachgerüstetem Erdgas-Pkw
Optimierungsbedarf bei der Insassensicherheit
Stuttgart (ots)
Mit vergleichsweise geringem Aufwand lassen sich Benzinmotoren auf Erdgasbetrieb umrüsten. Was bei einem Heckaufprall mit der Gasanlage passiert, hat DEKRA auf seiner Crash Test Anlage in Neumünster untersucht. Das Testergebnis bestätigte zunächst die Sicherheit der Komponenten des Erdgasantriebes. Tank und Leitungen der nachgerüsteten Erdgasanlage blieben dicht. Genauso wie der konventionelle Benzintank mit den dazu gehörenden Leitungen. "Es zeigten sich aber gravierende Unterschiede im Crashverhalten zwischen dem umgerüsteten Pkw und einem nicht umgerüsteten Vergleichsmodell", berichtete Clemens Klinke, Vorsitzender der Geschäftsführung der DEKRA Automobil GmbH, bei einem Pressegespräch zur AMI 2006 in Leipzig. "Die eingebauten Gasflaschen drückten in die Rücksitzbank und führten bei den hinten sitzenden Dummys zu Besorgnis erregenden biomechanischen Messwerten", so Klinke.
"Bei den serienmäßigen Erdgasfahrzeugen führen in der Regel die Automobilhersteller Crashtests durch, die die Unfallsicherheit sicherstellen. Aber wie steht es um die Crashsicherheit von Nachrüstlösungen?", fragte Clemens Klinke. In einem aufwändigen Crash Test ist DEKRA in seinem Crash Test Center in Neumünster dieser Frage nachgegangen. "Grundsätzlich ist Erdgas gar nicht so gefährlich, wie häufig dargestellt", schickte Clemens Klinke voraus. Erdgas ist schwer entflammbar und entzündet sich erst bei 650 Grad Celsius. Zudem ist Erdgas leichter als Luft und so verflüchtigt es sich auch rasch. "Deshalb können Erdgasfahrzeuge im Gegensatz zu Autos, die mit Flüssiggas betrieben werden, auch Tiefgaragen befahren." Der Betriebsdruck des gespeicherten Erdgases beträgt 200 bar. Die Tanks im Auto aber müssen für 650 bar geprüft sein, verfügen also über mehr als die dreifache Sicherheit. Vorgeschriebene Sicherheitsventile sorgen zudem für hohe Dichtheit und im Falle eines Fahrzeugbrandes für ein kontrolliertes Abbrennen des Gases. "Sicher ist, dass Erdgasfahrzeuge bei einem Unfall nicht explodieren - genauso wenig übrigens wie Autos mit Benzin- oder Dieselmotor", betonte der DEKRA Geschäftsführer. Das gebe es nur im Kino und Fernsehen, wo mit viel Pyrotechnik für explosive Unfall-Action gesorgt werde.
Für den Crashtest ließ DEKRA einen Opel Vectra Kombi, Baujahr 1998, von einem zertifizierten Fachbetrieb auf Erdgasbetrieb umrüsten. Dazu wurden unter anderem drei Erdgastanks für je 3,9 Kilogramm Erdgas auf einem fest mit dem Fahrzeug verbundenen Rahmen auf dem Laderaumboden hinter der Rücksitzbank montiert. Im DEKRA Crash Test Center in Neumünster simulierten die DEKRA Unfallforscher dann das "Worst Case Szenario": einen schweren Heckaufprall mit hoher Geschwindigkeit auf das stehende Fahrzeug nach der US-Norm FMVSS 301. Dieser Test wird in den USA durchgeführt, um die Dichtheit des Tanksystems bei konventionell angetriebenen Fahrzeugen zu prüfen. Dabei wird ein 1,8 Tonnen schwerer Stoßwagen mit starrer Prallplatte mit einer Anprallgeschwindigkeit von 48 km/h gegen das Heck des stehenden Pkw gefahren. "Simuliert wird hier also ein schwerer Heckaufprall etwa durch einen Geländewagen oder einen Kleinlaster", erläuterte Clemens Klinke. Um Vergleichswerte zu erhalten, führten die DEKRA Unfallforscher den Heckcrash auch mit einem zweite Opel Vectra Kombi durch, der nicht auf Gasbetrieb umgerüstet war. Bei beiden Crashversuchen saßen zwei instrumentierte Erwachsenen-Dummys auf der Rücksitzbank. Neun Hochgeschwindigkeits-Filmkameras hielten jede Phase der Crashs fest und lieferten den Unfallforschern zusammen mit den Daten vieler Sensoren am Fahrzeug und an den Dummys Informationen für die anschließende differenzierte Analyse.
Brustbelastungswerte über dem Grenzwert Am Kopf und Becken der Dummys wurden im Erdgasfahrzeug höhere Beschleunigungswerte gemessen als an den Dummys im Vergleichsfahrzeug. Das Verletzungsrisiko war also im Erdgasfahrzeug höher. Dabei lagen die Werte für Kopf und Becken aber noch unter dem Grenzwert. Die Beschleunigungswerte im Brustbereich der Dummys jedoch betrugen im Erdgasfahrzeug 62 g beim links sitzenden und 83 g beim rechts sitzenden Dummy. Der Grenzwert von 60 g wurde damit erreicht, beziehungsweise deutlich überschritten. Hier sind daher schwerste bis tödliche Verletzungen zu erwarten. Die Ursache für die dramatische Gefährdung der hinten sitzenden Insassen im nachgerüsteten Vectra lieferten unter anderem die Highspeed-Kameras. Deutlich zu erkennen ist auf den Aufnahmen, dass der vordere der drei quer zur Fahrtrichtung eingebauten Gastanks im Verlauf der Deformation des Fahrzeughecks massiv auf die Rückenlehne aufschlägt. Dies war auch an Beschädigungen an der Rückenlehne deutlich zu erkennen.
Erdgasantrieb bietet insgesamt viele Vorteile "Unser Crashtest hat die hohe Sicherheit von Erdgasanlagen im Fahrzeug bestätigt", fasste Clemens Klinke das Ergebnis zusammen. Autofahrer sollten dabei darauf achten, dass die Nachrüstung von einem zertifizierten Fachbetrieb durchgeführt wird. Erhebliches Optimierungspotential gebe es aber bei der Insassensicherheit. "Wir müssen uns Gedanken machen über die Einbaulage der Gasflaschen und das durch die Einbauten veränderte Deformationsverhalten bei schweren Unfällen," forderte Klinke. Als Verbesserung komme ein größerer Abstand zwischen Tank und Rücksitzlehne in Frage und gleichzeitig eine den Anprall dämpfende Trennplatte aus einem geeigneten Material. "Insgesamt bietet der umweltfreundliche Erdgasantrieb aber so viele Vorteile, dass man das Konzept unbedingt weiter verfolgen sollte."
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