RNZ: Rhein-Neckar-Zeitung Heidelberg zu Erdogan/ Proteste/ Istanbul
Heidelberg (ots)
"Dass Erdogan nebenbei auch ein Atatürk-Kulturzentrum in Istanbul abreißen lassen will, ist Wasser auf die Mühlen seiner Kritiker, die ihm seit Jahren vorhalten, eine heimliche Agenda zu verfolgen: die Islamisierung des laizistisch begründeten Staates. "Sultan Erdogan" tut nichts, um die Kritik zu entkräften. Gut möglich, dass ihn das die Macht kosten wird."
Sultan Erdogan
Von Alexander R. Wenisch Längst geht es bei den Protesten in der Türkei nicht mehr um ein paar Bäume in einem idyllischen Park am Istanbuler Taksim-Platz. Die konservative Regierung und ihr Chef Erdogan selbst sind jetzt Ziel der immer lauter werdenden Demonstranten. Hier entlädt sich, was in der Türkei seit Jahren unter der Oberfläche brodelt. Zwar erlebt das Land am Bosporus unter Erdogans AKP einen enormen Aufschwung: das Pro-Kopf-Einkommen hat sich seit 2003 verdreifacht, das Land stieg unter die 20 größten Wirtschaftsnationen der Erde auf, Erdogan versucht sich auch immer wieder als politischer Vermittler in den Krisen der Region. Doch im krassen Gegensatz gerade dazu steht sein Auftreten im Inland. Erdogan regiert immer selbstgerechter und autoritärer. Dass er nun Bürger, die ihren Unmut über ein prestigeträchtiges Bauvorhaben kundtun, als "Faschisten" und "Extremisten" beschimpft - es passt zum Bild einer Türkei, die seit Jahren international ob ihres eklatanten Demokratie-Defizits in der Kritik steht. Dass Erdogan nebenbei auch ein Atatürk-Kulturzentrum in Istanbul abreißen lassen will, ist Wasser auf die Mühlen seiner Kritiker, die ihm seit Jahren vorhalten, eine heimliche Agenda zu verfolgen: die Islamisierung des laizistisch begründeten Staates. "Sultan Erdogan" tut nichts, um die Kritik zu entkräften. Gut möglich, dass ihn das die Macht kosten wird.
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