Neue Presse Hannover: Hartz IV - Jeder hat das Recht auf ein Urteil Ein Kommentar von Inken Hägermann
Hannover (ots)
Dürfen Hartz-IV-Bezieher für 20 Cent eine Klage anstrengen? Nein, sagen die Richter des Bundessozialgerichts (BSG) und haben damit alten Rechtsstreitigkeiten um Rundungsdifferenzen den Boden entzogen. Neue Klagen deswegen dürften sowieso nicht mehr kommen, der Gesetzgeber hat mittlerweile bestimmt, dass die exakte ausgerechnete Summe aus dem Hartz-IV-Bescheid ausgezahlt wird. Allerdings haben die Richter sich nicht mit einer generellen Bagatellgrenze auseinandergesetzt oder gar festgelegt, wo diese liegen könnte. Denn die Fantasiesumme von etwa zwei Euro im Monat mag einem Normalverdiener wenig vorkommen - für Menschen, die nur wenig Geld zur Verfügung haben, zählt aber jeder Cent. Zumal auch Hartz-IV-Bezieher ein Recht darauf haben, zu ihrem Recht zu kommen - wie jeder andere Bürger. Dass dieser Fall bis vors Bundessozialgericht gelangt ist, liegt im übrigen nicht an der Leistungsempfängerin. Sie hatte in den Vorinstanzen gewonnen, das Jobcenter hatte jeweils die höhere Instanz angerufen. Auch das ist keine Seltenheit: Ein Bescheid ist falsch, der Hartz-IV-Bezieher klagt und bekommt Recht, doch die Behörde möchte ein höchstrichterliches Urteil. Das kostet zwar Anwaltsgebühren, bringt aber Rechtssicherheit und spart möglicherweise viel Geld - denn aus zwei Euro für den einzelnen Leistungsempfänger können schnell Millionen werden, wenn es sich um ein Grundsatzurteil handelt. Wo die Bagatelle anfängt oder aufhört, ist also eine Frage der Perspektive - und die muss im Zweifelsfall in jedem Einzelfall geprüft werden. Es ist eine wichtige Errungenschaft unseres Staates, dass man nicht nur zu seinem Recht kommt, wenn man reich ist.
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