Neue Presse Hannover: NSU-Prozess - es geht um mehr als den Ruf der Justiz Ein Kommentar von Claus Lingenauber
Hannover (ots)
Es ist nicht das Amtsgericht von Wolfratshausen, das hier verhandelt, sondern das Oberlandesgericht München. Und es geht nicht um eine bayerische Wirtshausprügelei, über die hier geurteilt werden soll, sondern um eine Mordserie an zumeist türkischen Mitbürgern. Es geht um den rechten Sumpf und um skandalöse Ermittlungspannen. Da ist juristisches Feingefühl von Nöten. Auf der Anklagebank sitzt zwar die Neonazi-Braut Beate Zschäpe, doch im Fokus steht auch der deutsche Staat, dessen Polizisten und Verfassungsschützer lange Zeit nicht eins plus eins zusammenzählen konnten. Und jetzt scheint es, als könne das Münchner Gericht die Gesten der Anteilnahme, die Parlament und Präsident inzwischen gezeigt haben, wieder zunichte machen. In dem es eine falsche Entscheidung rechthaberisch verteidigt. Dass dieses kein normaler Prozess sein wird, dass dieses Verfahren auch international von Interesse ist, musste von Anfang an klar sein. Umso unverständlicher ist die Entscheidung des OLG, die Verhandlung in Räumlichkeiten stattfinden zu lassen, in denen nur 50 Journalisten Platz finden. Und diese Plätze gingen dann an Medien, die sich zuerst gemeldet haben. Weswegen die Dudelwelle Radio Arabella dabei ist, und türkische Zeitungen oder die New York Times draußen bleiben. Oder wie es die Justizpressestelle flapsig formulierte: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Das muss korrigiert werden. In dem Prozess gehts natürlich um Aufklärung, aber auch um die Gefühle von Migranten, um Sensibilität. Da ist es fatal, wenn der Gerichtspräsident sich hinter Formalien verschanzt. Die Politik ist gefordert. Hier steht nicht die Unabhängigkeit der Justiz auf dem Spiel, sondern das Ansehen dieser Republik.
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