"ttt - Titel Thesen Temperamente" (BR) am Sonntag, 20. Oktober 2013, um 23.05 Uhr
München (ots)
Die geplanten Themen:
Angst oder Liebe? Erwin Wagenhofer plädiert in seinem neuen Film "Alphabet" für eine radikale Reform unseres Bildungssystems!
Kinder, die durch das achtstufige Gymnasium gepresst werden, ihre Hobbies, ihre Freunde und ihre Kindheit verlieren und sich auf facebook in eine digitale Scheinwelt flüchten. Chinesische Vorzeigeschüler, die von morgen sieben bis abends um zehn lernen, Medaillen und Urkunden sammeln, wie andere Kinder Fußballbildchen und vor Müdigkeit vergessen, was es heißt zu lächeln. Eine Flut an börsennotierten Unternehmen, die Profit aus der Angst der Eltern und Kinder schlagen und Nachhilfe zum Wirtschaftsfaktor machen. Und wozu das alles? Um die Kinder fit für eine Zukunft zu machen, in der vor allem eines gefragt ist: Kreativität und die Fähigkeit zu ungewöhnlichen Denkansätzen. Es läuft falsch, das zeigt der Film von Wagenhofer und er deutet an, wie es anders laufen könnte: Wenn nicht mehr die Angst unser Bildungssystem beherrscht, sondern Zuwendung, Vertrauen und - Liebe.
Wehrt Euch! Die Wissenschaftlerin Shoshana Zuboff ruft zum Widerstand gegen den digitalen Überwachungsstaat auf Wir befinden uns an der Schwelle eines neuen Zeitalters, in der Daten das kostbarste Gut unserer Wirtschaft sind. Die Sozioökonomin Shoshana Zuboff ruft zum Widerstand gegen die digitale Überwachung auf und warnt vor einer Zukunft, in der staatliche Geheimdienste und Internetfirmen unser Privatleben komplett unterwandern und missbrauchen. Ihre Helden heißen Edward Snowden und Ladar Levison. Snowden, der unter großen persönlichen Opfern die Machenschaften der NSA öffentlich machte und dafür als Vaterlandsverräter gebrandmarkt wurde und Levison, der sich weigerte, dem FBI sämtliche Daten der Nutzer seines E-Mail-Services zu Verfügung zu stellen. Mit Hilfe von Spenden klagt Levison nun gegen die Übergriffe einer Regierung, die er für kriminell hält und zitiert den Staatstheoretiker und dritten Präsidenten der USA, Thomas Jefferson: "Es ist die Pflicht eines jeden Patrioten, seine Heimat vor seiner Regierung zu schützen." In diesem Sinne argumentiert auch Shoshana Zuboff, wenn sie sagt - es ist an uns, die Übergriffe abzuwehren und zu verhindern, dass wir uns in einer Welt wiederfinden, die alles, was George Orwell einst prophezeite, in den Schatten stellt.
Ein Meister des schwarzen Humors! Der britische Künstler David Shrigley ist für den Turner-Preis nominiert Eines seiner bekanntesten Werke: Ein ausgestopfter Hund mit der Aufschrift "I'm dead". "Ich habe das Gefühl, meine Kunstwerke sind von ihrer Art her ganz ähnlich, wie Sachen, die ich als 6-jähriger gemacht habe, meint er und man weiß nicht, ob er das wirklich ernst meint. Hintersinnig-anarchisch geht er an seine Werke und den Kunstbetrieb heran. Und meint die Sache mit der Kunst dabei sehr ernst. Er arbeitet mit Sprache, archaischen Symbolen, hintergründigem Witz. Lachen als Reaktion ist ihm durchaus willkommen, da ein positiver Reflex immer der Anfang für eine tiefere Auseinandersetzung ist. Jetzt ist er für den Turnerpreis nominiert. Ab 23.Oktober sind die Werke, für die er nominiert wurde, in Londonderry zu sehen, am 2. Dezember findet die Verleihung des Turner-Preises statt.
Die Legende spricht... - Richard Burtons Tagebücher Scharfzüngiger Klatsch, erstaunliche Einsichten und eine Liebeserklärung an die englische Sprache: Die Tagebücher von Richard Burton sind Zeugnis eines prallen Lebens. Er schreibt - natürlich - ausführlich über seine Liebe zu Elizabeth Taylor, "der schärfsten Frau auf der ganzen Welt", über berühmte Zeitgenossen, nicht ohne bösen Witz: Maria Callas? Langweilig. Peter Ustinov? Macht immer das Gleiche und ist ein bisschen gestört. Robert Redford? Schlechter Schauspieler. Sich selbst verschont er auch nicht: Man folgt ihm über viele hundert Seiten im Kampf gegen seine Alkoholsucht, sieht seine Selbstzweifel, seine Abgründe. Aber man lernt auch den lebensbejahenden Kerl, zärtlichen Vater, bedingungslosen Liebhaber kennen und vor allem auch - den Künstler. Richard Burton sprach nicht nur ein wunderschönes Englisch, er schrieb auch gut und liebte die englische Literatur, Lyrik und die Dramen mit einer Leidenschaft, die mitreißend ist. Die Legende spricht nun also auf sehr persönliche Weise zu uns. Gut so.
Melancholische Sirene: Die wundersame, wunderbare Kammerpop-Sängerin Agnes Obel Minimum Maximum. Agnes Obel braucht nicht viel. Ein Klavier. Zweieinhalb bis drei Akkorde. Reduzierter Gesang. Nur zwei, drei Töne weniger - und alles würde implodieren. Die Lieder auf ihrem ersten, zu Hause aufgenommenen Album waren so leise und zurückhaltend, dass man sogar die Straßenbahn hörte. Aber gerade aus dieser Stille und der Reduzierung entsteht unfassbare Präsenz: Musik, räumlich wie Skulpturen. Dass sie mit ihrem Song "Just So" ausgerechnet durch eine Telekommunikations-Werbung über Nacht vom MySpace-Phänomen zur Bestseller-Balladeska wurde, ist ein schönes Missverständnis. Denn die in Berlin lebende Dänin ist selbst alles andere als grell und überkommunikativ. Obel erinnert eher an die klassischen Hitchcock-Frauen. Schön, unnahbar, scheinbar überlegen und vermeintlich schwach zugleich - kurz gesagt: allerangenehmst rätselhaft. Sie will mit ihren Songs ein Gefühl erschaffen, sagt sie, wie in einem Traum - bei dem allerdings völlig offen bleibt, ob er ein guter oder ein böser Traum ist. Nun hat sie ihr zweites Album "Aventine" veröffentlicht. In Dänemark ist sie bereits die Nummer 1, bei uns kurz vorm großen Durchbruch. Also sind wir von "ttt" vorher wir noch mal mit ihr durch dunkle Gänge und Hinterhöfe von Berlin gezogen.
Moderation: Max Moor
Redaktion: Sylvia Griss (BR)
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Agnes Toellner
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