"ttt - titel thesen temperamente" (MDR) am Sonntag, 28. April 2019, um 23:30 Uhr
München (ots)
Die geplanten Themen:
Osteuropa und die EU - vor der EU-Wahl, eine Bestandsaufnahme Ach, Europa! Die Europawahl im Mai, 30 Jahre nach dem Mauerfall findet den Kontinent in düsterer Lage. 1989 feuerte überall die demokratische Phantasie an, heute glauben immer weniger Menschen an das Versprechen Demokratie; weltpolitisch und ökonomisch droht die Marginalisierung. Die Zukunft ist nicht mehr das, woran Europäer glauben - sie ist das, was immer mehr Europäer fürchten, während die Politik in Europa nur noch versucht, Panik zu verhindern. Besonders in Osteuropa wurde aus Hoffnung nach dem Ende des Kommunismus ein Kampf um kulturelle Souveränität und Identität, von dem vor allem eine neue, fremdenfeindliche Rechte profitiert. Was ist schiefgelaufen seit `89? Vor allem: Was tun gegen den drohenden Zerfall, die Polarisierung und Selbstzerfleischung Europas? "ttt" fragt mit Martin Simecka und Ivan Krastev zwei bedeutende osteuropäische Publizisten und Philosophen. Simecka, der als Dissident die Wende in der Slowakei mitgestaltete, erinnert Euroskeptiker an die immer wieder gefährdete, aber von den Bürgern aktiv verteidigte Demokratie in seinem Land. Krastev, Leiter des renommierten Center for Liberal Strategies in Sofia, empfiehlt den europäischen Eliten weniger Arroganz und mehr Selbstbewusstsein, vor allem Ehrlichkeit: Europa müsse endlich seinen Problemen ins Auge sehen, statt ihnen konsequent immer nur auszuweichen. Autor: Andreas Lueg
"Nur eine Frau" - Film
Am 7. Februar 2005 wird Hatun Aynur Sürücü auf offener Straße in Berlin mit drei Kopfschüssen aus nächster Nähe hingerichtet. Sie ist 23 Jahre alt und Mutter eines fünfjährigen Sohnes, der zur Tatzeit allein in seinem Bett liegt und schläft. Der Mörder kommt aus der eigenen Familie. Es ist ihr jüngster Bruder, der mit der Tat die "Ehre der Familie" wieder herstellen will. Die Geschichte dieses "Ehrenmordes", der bundesweit für Entsetzen sorgte und eine Debatte über Zwangsehen und Wertvorstellungen von in Deutschland lebenden muslimischen Familien auslöste, erzählt jetzt der Kinofilm "Nur eine Frau". Regisseurin Sherry Hormann macht hier Hatun Aynur Sürücü zu einer gerade in ihrer Nüchternheit erschütternden Berichterstatterin ihres eigenen Schicksals: Sie schildert rückblickend ihre Zwangsverheiratung im Alter von 16 Jahren, die anschließende Flucht vor ihrem prügelnden Ehemann, wie sie das Kopftuch ablegte, eine Lehre begann und sich ein selbstbestimmtes Leben aufbaute - gegen den Widerstand ihrer strenggläubigen Familie, die am Ende ihre Ermordung betrieb. Sürücüs Tod war der Beginn einer bis heute dauernden Debatte um Zwangsehen und Verbrechen im Namen der Ehre. Der Berliner "Arbeitskreis gegen Zwangsverheiratung", nach ihrer Ermordung gegründet, hat 2017 allein für Berlin 570 Fälle von Zwangsverheiratungen ermittelt. Im gleichen Jahr wurden in Deutschland 51 vollendete oder versuchte Morde oder Totschlagsverbrechen "im Namen der Ehre" registriert. Der Menschenrechtlerin und Anwältin Seyran Ates; zufolge, die seit Jahrzehnten für die Rechte muslimischer Frauen kämpft, hat sich seit Sürücüs Tod zu wenig geändert. Ates; kann sich nach zahllosen Morddrohungen und einem Attentatsversuch nur noch mit Polizeischutz in Deutschland bewegen. Autor: Rayk Wieland
Glen Hansard - neues Album des irischen Singer-Songwriters Ausgelaugt und erschöpft. So fühlte sich Glen Hansard als er nach Paris kam, um dort an seinem neuen Album zu arbeiten. Das viele Touren, die oft stundenlangen Konzerte hatten ihren Tribut gefordert. Und doch sollte der irische Sänger ausgerechnet in der französischen Hauptstadt zu neuer Kraft und Kreativität finden. Dank eines schicksalhaften Treffens mit den Khoshravesh-Brüdern, einem iranischen Musikertrio, das er auf einer Party kennenlernte. Er lud die drei Musiker ins Studio ein und warf das Konzept seines Albums kurzerhand über den Haufen. "This Wild Willing" ist das vierte Studioalbum des Dubliner Musikers, der 2007 vor allem mit dem Kinofilm "Once" einem weltweiten Publikum bekannt wurde. Darin spielte er nicht nur die Hauptrolle, sondern sang mit seinem weiblichen Counterpart Markéta Irglová auch eines der wohl schönsten Duette der Filmgeschichte: "Falling Slowly". Der Song wurde 2008 mit dem Oscar prämiert. Und für den ehemaligen Straßenmusiker Hansard begann eine Weltkarriere. Wenn er nicht gerade mit seiner Band um die Welt reist und eines seiner beeindruckenden Konzerte gibt, lebt der Ire zurückgezogen in einem kleinen, malerischen Nest unweit von Dublin im Kildare County. "ttt" hat ihn dort besucht, um mit ihm über sein neues Album zu sprechen, über seine Heimat Irland und darüber, warum iranische Weltmusik und irische Folksong wunderbar miteinander harmonieren können. Autor: Marcus Fitsch
"Zuflucht Havanna" Es war vor achtzig Jahren: 937 deutsche Juden, ausgestattet mit Touristenvisa für Kuba, begaben sich mit dem Passagierschiff St. Louis der Hamburger Reederei HAPAG auf die Flucht nach Havanna, um ein halbes Jahr nach den Ausschreitungen der Reichspogromnacht den Verfolgungen durch die Nazis zu entgehen. Doch trotz Zusage weigerte sich die kubanische Regierung, das Schiff am Pier anlaufen zu lassen. Nach Verhandlungen durften lediglich 29 Passagiere von Bord gehen. Sowohl die USA wie auch Kanada lehnten die Aufnahme der restlichen jüdischen Flüchtlinge ab, sodass das Schiff im Juni 1933 nach Europa zurückkehren musste. Die Flüchtlinge wurden schließlich in Antwerpen von Bord gelassen und auf Belgien, die Niederlande, Frankreich und Großbritannien verteilt. Nach neueren Forschungen wurden 254 der Passagiere im Holocaust ermordet. Anlässlich des denkwürdigen Jahrestags hat der kubanische Schriftsteller Fernando Remírez diesem Ereignis einen ebenso fesselnden wie detailreichen Roman gewidmet ("Zuflucht Havanna"). Auf Basis einer akribischen historischen Recherche rekonstruiert er nicht nur die tragische Schiffspassage, sondern liefert auch ein politisches und kulturelles Panorama der 1930er-Jahre, als Havanna noch eine Art exklusiver "Nachtclub" der amerikanischen Oberschicht war. "ttt" hat den Romanautor Fernando Remírez in Havanna besucht. Autor: Reinhold Jaretzky
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Moderation: Max Moor
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