Uli Hoeneß exklusiv im Sat.1-Interview: "Es muss den Spielern rechtzeitig gesagt werden, wenn sie bei uns die Kurve nicht kriegen, dann ist die schönste Zeit des Lebens vorbei."
Berlin, 16.01.2004 (ots)
Kurz vor Abschluß des Trainingslagers des FC Bayern München in Dubai nahm sich Manager Uli Hoeneß Zeit, um im Sat.1-Exklusiv-Interview eine Saison-Zwischenbilanz zu ziehen.
Fernab der Heimat scheint im Trainingslager alles rund zu laufen... Uli Hoeneß: Ja, alle Spieler sind mehr oder weniger gesund und jeder hatte genug Urlaub. In den letzten Jahren war ja immer irgendwas. Einige waren verletzt, einige konnten wegen einer Weltmeisterschaft, einer Europameisterschaft nicht richtig trainieren, kamen später als die anderen. Jetzt haben wir zum ersten Mal seit vielen Jahren ein Trainingslager, bei dem alle Voraussetzungen perfekt sind. Deswegen kann man richtig hart arbeiten, ohne Rücksicht zu nehmen auf irgendwas.
Hart, nicht in Bezug auf Schleiferei? Uli Hoeneß: Nein, kein Mensch der Welt ist interessiert, die Spieler kaputt zu machen, sondern sie einfach in diesen körperlichen Zustand zu bringen, der notwendig ist, um die vor uns stehenden Ziele zu erreichen.
Da sind wir bei einem Satz von Ihnen, der doch Aufsehen erregt hat: Entweder Personen müssen sich ändern oder wir müssen Personen ändern. Wie ist das gemeint? Uli Hoeneß: Wir konnten ja mit der Leistung der Mannschaft im letzten halben Jahr nicht zufrieden sein. Wir haben zum Ende der Saison die Kurve gekriegt: die Qualifikation zur Champions League, die Siege gegen Stuttgart und in Freiburg mit 6:0 das war ein schönes Spiel. Aber am Ende des Jahres musste man doch rekapitulieren und sagen, das war nicht das, was wir uns vorgestellt haben. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir eine super Besetzung haben, und jetzt muss man aus diesen Individuen eine gute Mannschaft machen. Wenn es nicht gelingt, mit dieser Mannschaft wirklich gute Leistungen zu bringen, müssen wir über die Personen nachdenken, die damit zu tun haben. Das gilt für jeden Spieler, aber auch für uns.
Gilt das auch für den Trainer und den Assistenztrainer? Uli Hoeneß: Wenn man zu dem Ergebnis käme, dass sie schuldig sind und etwas nicht läuft, muss man auch darüber nachdenken. Aber dies gilt genauso für uns, vielleicht haben wir auch Fehler gemacht mit der Besetzung des Kaders. Es gibt keine heiligen Kühe das habe ich damit gemeint. Es gilt für den Vorstand, genauso für den Trainer und die Mannschaft. Jeder muss sich hinterfragen, habe ich Fehler gemacht? Welche? Und wie kann ich sie abstellen? Und das heißt noch lange nicht, dass wir dann Konsequenzen ziehen müssen, sondern wir müssen die Fehler analysieren, die gemacht wurden und dann versuchen, sie zu ändern.
Oliver Kahn ist es leid, immer als Einziger ganz vorn zu stehen und will sich in der kommenden Halbserie etwas zurücklehnen. Auch Ottmar Hitzfeld sagte, dass andere Spieler jetzt ein bisschen gefordert sind... Uli Hoeneß: Ich kann verstehen, dass Oliver Kahn die Verantwortung auch für die Öffentlichkeitsarbeit etwas mehr verteilen will, damit er nicht die Hauptlast tragen muss. Für diese Aussage habe ich absolut Verständnis. Bisher war es natürlich auch ein Problem, dass die Medien in Deutschland sich immer nur auf Michael Ballack oder Oliver Kahn gestürzt haben. Aber wir werden daran etwas ändern und daran arbeiten, dass auch diese ausländischen Spieler als Führungspersönlichkeiten anerkannt werden, auch von den Medien. Wir werden sie auch mehr ins Schaufenster stellen als in der Vergangenheit, damit das Gleichgewicht innerhalb der Mannschaft wieder besser, auch in der Öffentlichkeitsarbeit besser hergestellt ist.
Ist das auch für die Mannschaft hilfreich, denn den großen Führungsspieler gibt es ja weltweit eigentlich kaum mehr? Uli Hoeneß: Ja. Wir müssen an die Spieler appellieren, dass sie sich nicht nur Gedanken über ihre Leistung machen, sondern über das Team, die Situation des Clubs und die Gesamtsituation des FC Bayern München. Die Zeiten sind viel härter geworden. Was sich im Fußballgeschäft derzeit auftut, ist nach dem FC Bayern in weitesten Teilen der Abgrund, und davor muss man sie warnen. Es muss ihnen rechtzeitig gesagt werden, wenn sie die Kurve bei uns nicht kriegen, dann ist die schönste Zeit des Lebens vorbei.
...denn es gibt nur noch wenige Vereine, die wirklich Geld haben? Uli Hoeneß: Vor allem, die pünktlich zahlen können!
Einen Scheich in Dubai könnte man ja vielleicht auch noch aktivieren? Uli Hoeneß: Wir haben in der Vergangenheit unsere Geschäfte aus dem Cash-Flow bezahlt, und das werden wir auch in Zukunft so tun. Wenn wir von einem sehr netten Scheich hier für ein fantastisches Trainingslager eingeladen werden, sind wir dafür immer zu haben.
ots-Originaltext: SAT.1
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