23. Eppendorfer Dialog zur Gesundheitspolitik diskutiert Lösungsansätze aus der Antibiotikamisere
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(Hamburg, 26. März 2019) Wenn wir jetzt nicht ganz schnell auf allen Ebenen reagieren, werden sich Antibiotikaresistenzen zur weltweit größten Gesundheitsgefahr entwickeln. Das Szenario, das die Experten beim 23. Eppendorfer Dialog zur Gesundheitspolitik zeichnen, ist zunächst düster. "Bei der bisherigen Entwicklung können wir davon ausgehen, dass bis zum Jahr 2050 jährlich zehn Millionen Menschen weltweit durch multiresistente bakterielle Erreger sterben", erklärt Dr. Rainer Höhl, Oberarzt am Institut für Klinikhygiene am Klinikum Nürnberg. Greift das Rationalisierungsbemühen nicht, wird die Frage nach Rationierung gestellt werden müssen. Das bedeutet die Einschränkung des Antibiotika-Verbrauchs - und ein ethisches Dilemma. "Wer will über die Bedingungen entscheiden, unter denen Gemeinwohl vor Individualwohl steht?" fragt Prof. Alena Buyx, Medizinethikerin an der TU München. Insbesondere mit dem Wissen, dass damit ein erhöhtes Todesrisiko der Patienten in Kauf genommen wird. Bei Bronchitiden wird die relative Sterblichkeit um ein Prozent steigen.
Aber es gibt Licht im Dunkeln: Strategien, die greifen, sofern sie konsequent umgesetzt werden. Die Gesundheitspolitik hat die Gefahr erkannt und mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie DART 2020 sektorübergreifende Maßnahmen zur Bekämpfung der Resistenzen entwickelt. Die politischen Mühlen mahlen langsam, gibt Gitta Connemann, in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion u. a. für gesundheitlichen Verbraucherschutz zuständig, während der Hamburger Expertendebatte zu. Inzwischen ist man in der Veterinärmedizin, wo Monitorings vorgeschrieben sind, weiter als in der Humanmedizin, wo es immer noch keine verlässliche Datenerfassung gibt. Ohnehin können nationale Alleingänge in der globalen Welt nur ein Ansatz sein; es müssen verbindliche internationale Lösungen her. Allerdings fehlt hier in vielen Punkten noch der Konsens. Was gut zu funktionieren scheint, ist das Modellprojekt RESIST des Verbands der Ersatzkassen vdek, eine bis März 2020 laufende Interventionskampagne mit 2.460 Ärzten (HÄ, HNO PÄD) und einem großen Portfolio von Aufklärungs- und Schulungsmaßnahmen. Ute Leonhardt vom vdek zeigt in einer ersten Zwischenbilanz, dass die Antibiotikaverordnungsrate bei der Indikation "Infektion der unteren Atemwege" bei Nicht-Teilnehmern 49 Prozent beträgt, während es bei den RESIST-Teilnehmern lediglich 36 Prozent sind.
Auch Alternativmedikamente zu Antibiotika müssen stärker berücksichtigt werden. Etwa bei grippalen Infekten, wo rund 30 Prozent der Antibiotika sinnlos verordnet werden. "Bei 90 Prozent der Atemwegserkrankungen brauchen wir keine antibiotische Therapie. Es können antieffektive pflanzliche Arzneimittel eingesetzt werden wie es die neuen Leitlinien zur Therapie von Rhinosinusitis, Husten und unkomplizierten Harnwegsinfekten empfehlen", erklärt die Professorin für Naturheilkunde Prof. Dr. med. Karin Kraft. Arzneipflanzen und deren ätherische Öle wirken klinisch bestätigt antiinfektiv. Eine Kombination von Eukalyptus-, Süßorangen-, Myrten- und Zitronenöl hat sich bei Erkältungskrankheiten als sehr wirksame Therapieoption bewährt. Prof. Kraft fordert für die nebenwirkungsarmen und Resistenz-freien Phytoarzneimittel eine verstärkte Förderung und Forschung.
Über allem steht ein grundsätzlich richtiger Umgang mit den zur Verfügung stehenden Antibiotika. Resistenzen würden durch zu breite, zu niedrig dosierte und zu lange Therapien in Klinik und Praxis begünstigt, sagt Dr. Rainer Höhl, Mikrobiologe am Klinikum Nürnberg. Hygieneprobleme, die gewissenlose Kontamination der Umwelt und eine schleppende Diagnostik leisten Resistenzbildungen zudem regelrecht Vorschub, so Dr. Höhl. Ob im klinischen oder ambulanten Bereich: Es muss wesentlich sorgfältiger auf die Qualität der Verordnung geachtet werden.
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