Thema Zivilcourage bei vielen Bürgern eher fragwürdig
Mainz (ots)
Weisser Ring begleitet Aktion "Wer nichts tut, macht mit!" / Vogel-Strauß-Syndrom für modernen Rechtsstaat nicht hinnehmbar / Politisches Handeln gefordert
Angesichts beschämender gewalttätiger Übergriffe auf Ausländer und Deutsche fordert der Weisse Ring alle gesellschaftlichen Kräfte zur konsequenten Ächtung von Kriminalität und Gewalt auf. Schlichtweg als Skandal bezeichnet es die bundesweite Opferhilfsorganisation, dass geschädigte Opfer von Amts wegen nicht ausreichend über ihre Rechte und Ansprüche informiert sind. Dies treffe auf das Opferentschädigungsgesetz ebenso zu wie auf die gesetzliche Unfallversicherung für Nothelfer. Beide sozialrechtlichen Regelungen seien in der Bevölkerung so gut wie unbekannt.
Wenn der Staat seine Bürger schon nicht vor kriminellen Übergriffen schützen kann, muss er zumindest alles dafür tun, dass die Opfer Folgen der Straftat besser verkraften können, so die Forderung des Weissen Rings. Dazu gehöre vordringlich die Information, wo Betroffene Hilfe bekommen können und wie diese Hilfe aussieht.
Einerseits werde von den Bürgern erwartet, bei gewalttätigen Übergriffen in gebotenem Maße einzuschreiten oder sich zumindest als Zeuge zur Verfügung zu stellen. Andererseits komme es zu dieser Zivilcourage oft nicht, weil häufig befürchtet werde, auf möglichen gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Schäden sitzen gelassen zu werden.
Weisser Ring fordert mehr staatliche Aufklärung über Opferschutz
Die landesweite Präventionskampagne "Wer nichts tut, macht mit!" sieht der Weisse Ring als einen wichtigen Ansatz, das Informationsdefizit in der Bevölkerung zu verringern. Innenministerium und Polizei in Rheinland-Pfalz gebühre Dank für den Entschluss, sichtbare Zeichen gegen das Wegschauen und Weghören zu setzen.
"Doch wird es nicht ausreichen, das Thema Zivilcourage nur wenige Wochen lang ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen", so WR-Sprecher Helmut K. Rüster. "Als Opferschutzorganisation erwarten wir von Politik, Justiz und Polizei ein konsequentes Ja zum ständigen Dialog mit der Bevölkerung, damit sich die Notwendigkeit und die Bereitschaft, in Gefährdungssituationen besonnen zu handeln, in den Köpfen und Herzen der Menschen festsetzt."
Wer Zeuge einer bedrohlichen Situation wird, sollte nicht unüberlegt eingreifen, sich aber lautstark bemerkbar machen und dem Opfer seine Hilfsbereitschaft signalisieren. Wenn sich Straftäter beobachtet fühlen, lassen sie meist von ihrem Vorhaben ab.
Wer selbst bedroht oder angegriffen wird, sollte andere sofort und eindeutig auf seine Notsituation aufmerksam machen. Oft werden Straftaten aufgrund fehlender Opfersignale gar nicht erkannt, vielfach kalkulieren die Täter mit der falschen Scham ihrer Opfer.
Wichtig ist auch, sich mit anderen Zuschauern über geeignete Hilfsmöglichkeiten zu verständigen und klare Absprachen zu treffen. Rufen Sie die Polizei! Ich halte ein Auto an! Oft wird deshalb nicht eingegriffen, weil sich jeder auf den anderen verlässt.
Die sofortige Benachrichtigung von Polizei und ggf. Rettungsdiensten kann und muss von jedem Bürger erwartet werden. Wer nur zusieht und nichts tut, handelt unverantwortlich und gewissenlos.
Es ist Bürgerpflicht, als Zeuge eines kriminellen Übergriffs die Arbeit der Polizei zu unterstützen, um so zur Aufklärung der Straftat und zur Ergreifung des Täters beizutragen. Vielfach handelt es sich um Wiederholungstaten, die nur deshalb geschehen können, weil viel zu wenige Menschen Zivilcourage zeigen.
Jeder kann morgen schon selbst in eine Situation geraten, in der er selbst auf engagierte Mitmenschen angewiesen ist. Passivität hilft nur dem Täter und überlässt das Opfer seinem Schicksal. Durch mehr Verantwortungsbewusstsein und besonnenes Handeln können viele Opfer vor weiterem Schaden bewahrt werden, so ein WR-Sprecher.
Opfer von Gewalttaten haben Anspruch auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG), das Erstattung von Heilbehandlungskosten und ggf. Rentenleistungen vorsieht. Antragstellung beim örtlichen Versorgungsamt. Nothelfer, die bei ihrem Eingreifen selbst zu Schaden kommen, stehen unter dem Schutz der gesetzlichen Versicherung.
Wer bei Unglücksfällen oder gegenwärtiger Gefahr für Körper und Gesundheit anderen Hilfe leistet, ist durch die gesetzliche Unfallversicherung als Nothelfer geschützt (Sozialgesetzbuch VII § 2 Abs. 1 Nr. 13 "Versicherung kraft Gesetzes"). Einem Nothelfer werden zudem auch Sachschäden und Aufwendungen ersetzt (SGB VII § 13). Antragstellung bei der Stadt- und Gemeindeverwaltung.
Kriminalitätsopfern, die direkt oder indirekt von einer vorsätzlichen Straftat betroffen sind, hilft der gemeinnützige Verein Weisser Ring: schnell und unbürokratisch. Bundesweit gibt es rund 400 Anlaufstellen. Anschrift und Telefonnummer der örtlichen Ansprechpartner werden über die zentrale Rufnummer 01803 - 34 34 34 mitgeteilt (rund um die Uhr).
In Rheinland-Pfalz stehen 154 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer in 24 Außenstellen des gemeinnützigen Vereins Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite. Infos: Weisser Ring e.V., Regionalbüro Rheinland-Pfalz, Weberstraße16, 55130 Mainz.
Opfer krimineller Übergriffe sind auf die unmittelbare Hilfe ihrer Mitmenschen und auf die Unterstützung der Solidargemeinschaft angewiesen. Doch ohne die Information über gesetzlich verbriefte Leistungen sowie die vielfältigen Hilfen des Weissen Rings bleiben viele Geschädigte mit den Folgen der Tat auf sich alleine gestellt. Das muss sich ändern.
Deshalb fordert der Weisse Ring alle staatlichen Stellen auf, Kriminalitätsopfer von Amts wegen darüber zu informieren, an wen sie sich wenden können, um Unterstützung zu erhalten: An die Stadt- und Gemeindeverwaltung (Versorgungsamt, Gemeindeunfallversicherungsverband) und an die Opferhilfsorganisation Weisser Ring e.V.
Was viele nicht wissen: Wer nichts tut, kann sich strafbar machen
Ebenso notwendig ist aus Sicht des Weissen Rings die stärkere öffentliche Ächtung des Nicht-Einschreitens in Gefahrensituationen. Viele Menschen wissen nicht, dass man auch für "Nichts-Tun", d. h. für Unterlassene Hilfeleistung (Paragraph 323 c StGB) bestraft werden kann. Im Gesetz sind dafür Sanktionen in Form von Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder Geldstrafen vorgesehen.
Angesichts mangelnder Zivilcourage nur hilflos mit den Achseln zucken, ist zu wenig. Vor allem muss sich die Rechtspolitik verstärkt der weitverbreiteten Meinung stellen, dass derjenige, der Zivilcourage gezeigt hat, von Polizei und Justiz nicht die nötige Unterstützung erhält und sich plötzlich selbst auf der Anklagebank wiederfinden könnte.
Unterlagen zur Aktion "Stoppt das Vogel-Strauß-Syndrom. Zeigt Zivilcourage" sind erhältlich bei: Weisser Ring e. V., Infoservice, Postfach 26 13 55, 55059 Mainz.
Um Opfern krimineller Übergriffe sowie verletzten Nothelfern schnell und unbürokratisch helfen zu können, bittet der Weisse Ring die Bevölkerung um Unterstützung seiner Arbeit. Spendenkonto: 34 34 34 Deutsche Bank Mainz (BLZ 550 700 40).
Rückfragen bitte an:
Weisser Ring e.V.
Helmut K. Rüster
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